Munevo: Wenn Investoren investieren wollen, aber nicht können

Munevo: Wenn Investoren investieren wollen, aber nicht können

Die Münchner Gründer von Munevo schafften, wovon viele Kandidaten träumen, wenn sie in „Die Höhle der Löwen“ gehen: sie versetzen die Löwen in Erstaunen, verursachten Gänsehaut und bekamen mehrfach die Hochachtung der erfahrenen Investoren ausgesprochen. Doch am Ende reichte es nicht für einen Deal. Woran lag es?

Photo: TVNOW / Stefan Gregorowius

Constantin und Claudiu machten zunächst alles richtig: eine runde Präsentation ihrer Smart-Glasses-Steuerung für Rollstühle verdeutlichte zweifellos den Grad der Freiheit, den ein schwer erkrankter Mensch, der praktisch nur noch den Kopf bewegen kann, durch ihre Entwicklung erlangen könnten. Durch die Zulassung als Medizinprodukt und die bereits erfolgten ersten Erstattungen durch deutsche Krankenkassen ist auch das Geschäftsmodell klar. Auch bei den Zahlen zeigten sie keine Schwäche.

Die Löwen sind begeistert, doch einer nach dem anderen steigt aus. Judith Williams, Dagmar Wöhrl und Ralf Dümmel haben prinzipiell alle den gleichen Grund: sie können nicht wirklich helfen. Auch drücken alle Aussteigenden ihr bedauern aus. Judiths “… das ist leider leider nicht mein Investment” fasst es wohl am Besten zusammen. So manch ein Zuschauer mag nun denken: “Aber wenn sie es doch so toll finden, warum investieren sie nicht einfach trotzdem, mit ‘nur’ Geld wäre den Gründern ja auch schon geholfen.” Doch so einfach ist es – leider – nicht. Die Löwen sind keine sogenannten Finanzinvestoren. Also Investoren, die Startup-Investments als reines Anlagegeschäft sehen – wenn auch eines mit sehr hohem Risiko. Sie investieren dann, wenn sie selbst das junge Unternehmen entscheidend voranbringen können – und zwar mit weit mehr als ein paar Telefonanrufen. Oft arbeitet zeitweise ein ganzes Team von ihnen vorübergehend eng mit dem Startup zusammen, um zum Beispiel den Vertrieb in kürzester Zeit aufzubauen.

 

Ein solcher Investor senkt mit dieser Vorgehensweise sein Risiko – verlangt aber normalerweise auch eine wesentlich niedrigere Bewertung als ein Finanzinvestor.

Diese Rechnung kann aber nur in Bereichen aufgehen, in denen sich ein solcher Investor auch wirklich gut auskennt. Nur wenn er oder sie ziemlich genau beurteilen kann, wie schnell Vertrieb und Marketing aufgebaut werden können und zu welchen Kosten, macht eine Beteiligung für beide Sinn. Denn funktioniert es nicht, hat nicht nur das Startup zu viele Anteile für zu wenig Geld hergegeben, sondern auch von Investorenseite müssen viel mehr Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, als dies kalkuliert war. Extrakosten, die zunächst schwer wieder reinzuholen sind.

Hinzu kommt, dass, wenn die geplanten Umsätze ausbleiben, das Startup auch früher wieder eine nächste Finanzierung braucht. Das kann dann durch die etwas mehr abgegebenen Anteile problematischer werden als ohnehin schon.

Ein solcher Investor kann also einen riesigen Mehrwert bringen, gefährdet aber eventuell das Startup umso mehr, wenn es nicht klappt.

Judith Williams erwähnte sogar, dass sie zwar im Marketing helfen könnte, dieser Teil aber zu klein wäre, um sich zu beteiligen. Im Zweifel möchte sie den Platz also lieber für einen Investor lassen, der in größerem Maße helfen kann. Dagmar Wöhrl drückte sich ähnlich aus: Munevo bräuchte vor allem einen strategischen Partner, der den Vertrieb über die Sanitätshäuser aktiv unterstützen kann.

 

Carsten Maschmeyer und Dr. Georg Kofler hatten noch einen anderen Grund: sie hatten wohl schon einmal in einen Elektro-Rollator investiert, der auf ähnliche Vertriebswege baute (hiermit war wohl der “Ello” aus Staffel 5 gemeint). Der Vertrieb über die Sanitätshäuser lief hier wohl nicht so besonders gut.

Carsten Maschmeyer, der Medizinprodukten wohl generell am nächsten steht, stieg dann  “als Venture Capital Investor” aus, und brachte die für ihn viel zu hohe Bewertung von 8 Millionen Euro zur Sprache. Im Nachhinein mit den Löwen wurde dies noch einmal erläutert: Gerade, da der Vertrieb schwer aufzubauen ist, ist auf absehbare Zeit noch nicht mit hohen Umsatz- und Gewinnzahlen zu rechnen. Um 800.000 € Investment (bei 10% Anteilen) zurück zu bekommen, müssten 8 Millionen Euro Gewinn ausgeschüttet werden. Dafür müssten so einige Systeme verkauft werden. Schlussendlich machte sich Munevo also auch durch die zu hohe Bewertung als Investment-Case uninteressant.

Doch schließlich war der Gute Eindruck doch etwas wert: In einer seltenen Szene begab sich Carsten Maschmeyer mit den Gründer vor den Eingang der Höhle, rügte zwar auch noch einmal die Bewertung, bot aber anderweitig seine Hilfe an. Man darf also gespannt sein, was sich hieraus noch ergibt.

 

Spannende Insights für die Beiträge lieferte uns Ruth Cremer!

Ruth Cremer ist Mathematikerin und Beraterin sowie Hochschuldozentin an der HS Fresenius im Master-Studiengang Digital Management mit den Vorlesungen Digital Entrepreneurship, Entrepreneurial Finance Management und E-Commerce. Als ehemalige Investmentmanagerin weiß sie, worauf Investoren achten und hilft auch bei der Pitch- und Dokumentenerstellung im Investitions- oder Übernahmeprozess. Bereits seit der fünften Staffel von „Die Höhle der Löwen“ ist sie als externe Beraterin an der Auswahl und Vorbereitung der Kandidaten beteiligt.

 

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