Logistik im Electronic Commerce
E-commerce Logistik ist aufgrund der Digitalisierung und des Einsatzes professioneller und innovativer Logistiksysteme eine Wachstumsbranche. In diesem Beitrag wird zunächst eine typische Logistikorganisation im Electronic Commerce dargestellt. Weiter werden die wesentlichen Erfolgsfaktoren sowie die wichtigsten Logistiktrends für den Electronic Commerce beschrieben.
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Logistik im Electronic Commerce – der Aufbau
Electronic Commerce ist deshalb so erfolgreich, da er im Groß- und Einzelhandel erhebliche Skaleneffekte ermöglicht. Diese entstehen durch integrierte Datenverarbeitung entlang der Supply Chain (Lieferkette) und durch die Effizienz im Online Marketing, also dem elektronischen Point-of-Sale. Aufgrund der Attraktivität von Electronic Commerce, ist aber auch die Wettbewerbsintensität höher als im stationären Handel. Vor diesem Hintergrund und des damit einhergehenden Preis- und Kostendrucks kommt dem Warenumschlag eine entscheidende Bedeutung zu. Ein möglichst schneller Umschlag reduziert Lager- und Logistikkosten und trägt damit zur Wettbewerbsfähigkeit wesentlich bei. Folglich muss auch der Aufbau der Logistik im Electronic Commerce den Warenumschlag -die zeiteffiziente Einlagerung und Versendung von Waren- Priorität geben.
Der Logistikaufbau folgt der Chronologie der Supply Chain: Zunächst werden Waren eingelagert, dann dem Lager entnommen, verpackt und versendet. In manchen Fällen -im Fashion Onlinehandel sind diese nicht gering- kommt es zu Retouren, auch diese müssen im Logistikaufbau berücksichtigt werden. Die Supply Chain wird von Datenströmen begleitet, so dass neben der Waren- auch von einer Daten- und Dokumentenlogistik gesprochen wird.
Wareneingang – Inbound
Der Logistikprozess im Electronic Commerce beginnt also mit der Warenannahme, die als Inbound bezeichnet wird. Dem Inbound kommt die Aufgabe zu, eingehende Ware möglichst schnell für den Versand zugänglich zu machen, um die Lieferfähigkeit zu erhalten. Außerdem gehört die Qualitätskontrolle zu den wesentlichen Aufgaben des Inboundbereichs, damit der Versandprozess nicht durch Qualitätsprobleme gestört wird oder es zu Retouren kommt.
Das wesentliche IT-System für den Inbound ist die Warenwirtschaft, die alle Daten zu den Artikeln enthält und über die die eingelagerten Mengen gesteuert werden.
Als Ergebnis des Inbound Teilprozess steht die eingelagerte Ware für den Verkaufsprozess zur Verfügung. In Ausnahmefällen kann es dazu kommen, dass beim Lieferanten bestellter, aber noch nicht eingegangener Warenbestand als so genannter „rollender Bestand“ verkauft wird. Ein Verkauf aus rollendem Bestand sollte aber aufgrund der Risiken der Nicht- oder Fehllieferung und Anfälligkeit für Störungen vermieden bzw. weitgehend reduziert werden.
Lagerung – Store
Der Lageraufbau ist wesentlich von der Sortimentsbreite und -tiefe geprägt. Große Unterschiede bestehen zwischen der Lagerung für Online „Kaufhäuser“ oder für Spezialisten, für sehr große oder sehr kleine Sortimente. Auch Spezialsortimente etwa mit verderblicher Ware wie z.B. Pflanzen bedeuten zusätzliche Herausforderung für die Lagerung, die als Teilprozess mit „Store“ bezeichnet wird.
Bei der Lagerung ist vor allem die Struktur des Lagers entscheidend. Ziel muss es sein, den räumlichen Zugang zu den Waren zu optimieren und die Lagerkosten zu minimieren. So ist ein Zentrallager für das gesamte Inventar in der Regel effizienter als mehrere kleine Teilläger. Gleichzeitig muss die Ware vor äußeren Einflüssen und Gefährdungen wie Feuer oder Wasser ausreichend geschützt werden, auch Schutz vor Diebstählen muss beachtet werden.
Bei vielen Electronic Commerce Unternehmen werden zur Optimierung der Lagerung des Pickprozesses Algorithmen eingesetzt, die den optimalen Lagerplatz bestimmen. Bei amazon als sicher erster Referenz für Exzellenz in der E-commerce Logistik ist das Lager grundsätzlich „chaotisch“ aufgebaut, dh. dass die Beschaffenheit oder Ähnlichkeit der Ware kein Kriterium für den Lagerplatz ist. So findet man im Amazon Lager ein Sachbuch neben einem Planschbecken oder einer Küchenmaschine.
Entnahme der Ware – Pick
Um Bestellungen zusammenzustellen, werden Waren dem Lager wieder entnommen, um als in einem nächsten Schritt zu einzelnen Bestellungen zusammengestellt zu werden. Der zeitliche Aufwand des Pickens hängt von der Größe des Lagers und dessen Aufbau ab. Die Effizienz des Pickens steigt, wenn das Lager solche Artikel in einem engeren Radius bereitstellt, die häufiger verkauft werden, während selten verkaufte Artikel in Randbereichen des Lagers untergebracht werden können.
In modernen Fulfillment Centern des Electronic Commerce wird die gepickte Waren in Behältern gelegt, so genannten Batches. Diese werden dann zu Packstationen transportiert, wo die bestellte Ware entnommen wird.
WARENAUSGANG – OUTBOUND
Als Outbound bezeichnet man den Bereich eines Fulfillment Centers, der alle Teilprozesse des Warenausgangs zusammenfasst. Ein üblicher Aufbau sieht die Trennung von Inbound und Outbound vor, die Warenentnahme aus dem Lager, also das Picken, ist dann der link zwischen beiden Teilbereichen.
Sort – Kommissionierung
Als nächster Schritt in der E-commerce Logistik müssen Bestellungen zusammengestellt, also kommissioniert werden. Hierbei hängt es vom Umfang und der Zusammenstellung einer Bestellung ab, ob dieser Vorgang komplex ist oder nicht. Eine Ein-Artikel-Bestellung ist nicht komplex, während eine Artikelzahl von etwa vier Artikeln durchaus zu Komplexität führen kann.
In modernen Logistik-Systemen im Electronic Commerce werden für die Kommissionierung von Waren diese in Batches zu Packstationen geliefert, wo sie entnommen werden. Bei komplexeren Situationen wie etwa mehreren Lägern, aus denen Waren für eine Bestellung zusammengefasst werden müssen, steigt auch die Komplexität der Kommissionierung. Üblicherweise werden komplexere Vorgänge von Routinekommissionierungen getrennt, damit die Effizienz des Hauptprozesses nicht reduziert wird.
Pack – Verpackung
Im vorletzten Schritt des Outbound-Prozesses werden die kommissionierten Artikel verpackt. Auch hierbei ist die Zusammensetzung der Bestellung maßgeblich für Aufwand und Komplexität des Packens. Bestellungen mit nur wenigen Artikeln, die nicht sperrig sind, können in einem Paket zusammengefasst werden. Dagegen entsteht bei Bestellungen mit vielen Artikeln regelmäßig die Notwendigkeit, mehrere Pakete zu verwenden. Sind einzelne Artikel zudem besonders schwer und/oder besonders groß, wird ein Sonderversand erforderlich. Dieser wird und sollte ebenfalls außerhalb des Routineprozess im Verpacken angesiedelt werden, es sei denn, er ist so häufig, dass er wiederum einen separaten Routineprozess begründet.
Besonderes Augenmerk sollte auf die Verpackung gelegt werden. Diese muss und kann mehrere Funktionen erfüllen. Zum einem muss sie die bestellten Artikel vor den Belastungen des Versandweges schützen. Weiter kommt ihr als Schnittstelle zum Kunden eine nicht zu unterschätzende repräsentative Bedeutung zu. Folglich liegt es nahe, auch den Karton durch Aufdrucke oder Beilagen zu Kommunikationszwecken des Unternehmens einzusetzen. Schließlich muss die Entsorgung der Verpackung, zu der der Händler nach der Verpackungsverordnung verpflichtet ist, beachtet werden. Nicht zuletzt dürften die Kunden und die Umwelt dankbar für den sparsamen Einsatz mit Verpackungsmaterial sein. Eine Übersicht über die Bedeutung der Verpackung findet sich bei „Der Handel„.
Ship – Versand
Als letzter Prozessschritt im Outbound findet die Übergabe an den Carrier, also ein Paketversandunternehmen statt. Die Auswahl der Carrier hat sowohl strategische als auch operative Aspekte. Auf der strategischen Ebene ist für die Qualität eines Carrier vor allem die Reichweite des Zustellnetzes und die Qualität der Zustellung maßgeblich. Das Zustellnetz hat den Charakter eines natürlichen Monopols, so dass es nicht wundert, dass der Marktführer DHL seinen Marktanteil weiter ausbauen kann. Auch die langfristig erwartbare Qualität der Zustellung -die den Zustellprozess verkürzt und vor Störungen absichert- ist für die Wahl des Carriers maßgeblich.
Auf der operativen Ebene sind vor allem die Versandtarife maßgeblicher Erfolgsfaktor. Dieser wird regelmäßig neu zwischen Carrier und Electronic Commerce Unternehmen verhandelt und hängt vor allem vom Volumen ab. Aber auch logistische Faktoren wie Häufigkeit und Pünktlichkeit der Abholung der Pakete spielen eine Rolle.
Bei der Durchführung des Ship-Teilprozesses wird der Carrier festgelegt, das Paket gewogen, ein Versandlabel erstellt, auf das Paket geklebt und dieses an den Carrier übergeben.
Retoure
Neben dem Wareneingang von Lieferantenware ist gerade bei Modeversendern der Retoureneingang ein zusätzlicher und leider aufwändiger Inbound-Prozess. Die von den Kunden zurückgesendeten Waren müssen empfangen, ausgepackt und überprüft werden, um dann anschließend wieder eingelagert und damit dem Betand zugeführt zu werden. Dabei muss für das Rechnungswesen erfasst werden, welche Artikel zurückkommen, für die dann eine Gutschrift erfolgen muss. Insgesamt also ein komplexer Prozess, der dann an Effizienz verliert, wenn die zurücksendenden Kunden individuelle Verpackungslösungen verschickt haben oder wenn die Ware beschädigt oder beschmutzt ist. Aufgrund des hohen Aufwands sind Maßnahmen zur Verringerung der Retourenquote sicher eine zentrale Herausforderung im Electronic Commerce.
Erfolgsfaktoren in der Electronic Commerce Logistik
Die Liefer- und Leistungskette im Electronic Commerce endet mit dem Versand, der also final darüber entscheidet, ob eine Transaktion erfolgreich ist und Kunden zufrieden sind. Folglich ist die Sicherstellung einer reibungslosen Logistik -sei es mit eigenen Kapazitäten oder mit Hilfe eines Fulfillment-Dienstleisters- eine Aufgabe mit hoher Priorität.
Erfolgsfaktoren sind solche Aspekte und Faktoren der Logistikorganisation, die den Logistikerfolg begünstigen. Den Logistikerfolg bestimmen die Logistikziele wie Lieferfähigkeit, die Lieferzeit, die Lieferqualität und die Effizienz im Sinne einer Aufwandsoptimierung.
Die technische Logistik
Erfolgsfaktoren sind vor diesem Hintergrund zunächst im Bereich der technischen Logistik zu finden: nur eine vollständige Datenintegration macht Logistiksysteme schnell, kostengünstig und flexibel. Auch die Berücksichtigung von Innovationen im Bereich der Lager- und Fördertechnik können den Logistikerfolg steigern. Vor allem aber hängen insbesondere die technischen Erfolgsfaktoren von der Qualifizierung des Personals ab, das Innovationen um- und einsetzen soll.
Logsitik-Standort und Betriebsgröße
Weiter ist auch der Logistikstandort ein wichtiger Erfolgsfaktor, der insbesondere die Liefergeschwindigkeit, aber auch die Verfügbarkeit des Personals sowie die Standortkosten wie etwa Mieten und Pachten beeinflusst.
Auch die Erreichung bzw. Überschreitung der mindestoptimalen Betriesbgröße ist maßgeblich, ob Größenvorteile einen Beitrag zur Kosteneffizienz leisten oder ob die Logistikkosten aufgrund einer zu geringen Umschlagsmenge zu hoch bleiben. Ist Letzteres der Fall sollte dringend über eine Fulfillmentlösung nachgedacht werden, bei der von Kostenvorteilen des Fulfillment-Dienstleisters profitiert werden kann.
Herausforderungen und Trends in der E-commerce-Logistik
Da Versandkosten- bzw. Versandkostenfreiheit auch nach wie vor ein wichtiger Wettbewerbsfaktor zwischen Online Händlern ist, wird die Verringerung von Logistikkosten auch weiterhin eine wichtige Herausforderung bleiben.
Darüber hinaus ist nicht erst mit der zunehmenden Sensibilität für die Klimaerwärmung oder andere ökologische Probleme der Aspekt der Nachhaltigkeit in der E-commerce-Logistik eine wesentliche Herausforderung. Die Ökobilanz der Logistik im Electronic Commerce fällt gemischt aus, vor allem Retouren stellen eine Belastung der Nachhaltigkeit dar wie ein Beitrag der DVZ zeigt. Dennoch hat der Electronic Commerce ein erhebliches Potenziel, die Warenversorgung von Privathaushalten nachhaltiger zu gestalten, wenn die bestehenden Effizienzpotenziale genutzt werden. Entscheidend dürften dabei die Retourenvermeidung, die Dichte des Zustellnetzes sowie die Reduktion von Verpackungsmaterial sein.
Die wichtigtsten Trends im Electronic Commerce stehen in engem Zusammenhang mit technologischen Fortschritten, die im Bereich der Sensorik, der künstlichen Intelligenz und der weiteren Vernetzung entstehen.
So werden in Zukunft wohl zunehmend Logistikroboter die Lager- und Versandkosten reduzieren helfen. Wenn amazon die Zustellung mit Hilfe von Paketdrohnen vorantreibt, ist das ein wichtiger Schritt bei der Automatisierung der Zustellung.
Auch können Fortschritte im Bereich der Sensorik und damit verbunden bei Assistenzsystemen die Prozesseffizienz in der Lagerlogistik spürbar erhöhen. Ein Beispiel wäre etwa der Einsatz von Datenbrillen bei der Kommissionierung. Schließlich bietet der Trend des „Internet of Things“ (IoT) über eine zunehmende Zahl an vernetzten Maschinen und Fahrzeugen die Möglichkeit, die Datenintegration bei Logistikprozessen auszuweiten und damit die Effizienz zu erhöhen. Beispielhaft wäre dabei an „Connected Trucks“ zu denken, die auch das „Rollende Lager“ und die „Just-in-Time“-Lieferung erleichtern.
Diese technologischen Trends sind erforderlich, um im Bereich der Lieferservices weitere Optionen anbieten zu können, die wiederum den Händlern Wettbewerbsvorteile verschaffen. Ziel muss sein, die Übergabewahrscheinlichkeit und -sicherheit bei der Zustellung weiter zu erhöhen. Viele Kunden wünschen sich einen „Same-Day-Delivery-Service“, noch mehr Kunden wünschen eine „Time-Frame-Delivery“, also ein deutlich höheres Maß an Berechenbarkeit bei der Zustellung.
Fazit
Die Logistik im Electronic Commerce hat ein hervorragendes Wachstumspotenzial, das mit der zunehmenden Akzeptanz für den Onlineversand entsteht. Dieses Potenzial sollte genutzt werden, die Effizienzvorteile in der Logistik weiter auszubauen, um für die Kunden, die Händler und die Gesellschaft ein kostengünstiges und nachhaltiges System der Warenversorgung zu entwickeln.
Autor: Prof. Dr. Dominik Große Holtforth