E-Learning-Plattformen – the next big thing in E-Commerce?

E-Learning-Plattformen – the next big thing in E-Commerce?

Wer nach E-learning-Plattformen sucht, findet mittlerweile -zu Beginn des Jahres 2017- eine Fülle von Angeboten. Dennoch verfestigt sich der Eindruck, dass es nur wenige dominierende Konzepte für Onlinebildung und damit auch noch keine führende E-learning-Plattform gibt. In diesem Beitrag möchte ich vor dem Hintergrund des Status Quo und von Problemen im Bildungssektor versuchen, die Zukunft von E-learning-Plattformen zu skizzieren. Dazu wage ich einen Blick auf mögliche Entwicklungen im E-learning, die zu einer Verstetigung der Marktentwicklung führen und E-learning dynamischer machen könnten. Dabei stellt sich die Frage, was die Entwicklung von E-learning-Plattformen von den Erfahrungen aus 20 Jahren E-commerce übernehmen kann.

E-learning – eine Definition

Steve Jobs hat einmal gesagt, dass der Computer „das Fahrrad für das Gehirn ist“. Greift man dieses Bild auf, dann ist E-learning wie Fahrradfahren: Man kommt zügig voran, muss sich aber trotzdem anstrengen. Aber sicher ist eine allgemeinere Definition hilfreicher: E-learning ist die Aufnahme und Verabeitung von Wissen und Bildung mit Hilfe elektronischer Geräte und digital-vernetzter Plattformen mit der Zielsetzung, Wissen und Kompetenzen zu erwerben. Während E-learning alle Lernformen umfasst, die elektronische Technologie einsetzen, ist Online-learning auf solche Lern- und Bildungsangebote beschränkt, die auf Plattformen im Internet, also digital-vernetzten Plattformen angeboten und genutzt werden.

Formen des E-learning

E-learning ist so vielfältig wie die Bildung insgesamt. Eine Übersicht über E-learning-Platforms, -Methoden und -Formaten kann daher nur eine Momentaufnahme sein, die laufend durch aktuelle Innovationen ergänzt wird. Zu Beginn des Jahres 2017 zeichnet sich noch kein E-learning-Format oder -Angebot ab, das als großer Durchbruch oder „The next big thing“ gesehen werden kann. t3n gibt eine aktuelle Übersicht über Lernplattformen, die durchaus erahnen lässt, dass die Branche E- oder Online Learning in den nächsten fünf Jahren vor einem Durchbruch stehen könnte. Dieser Durchbruch würde eine Etablierung von E- und Online Learning als Bildungskanal bedeuten.

Die vielen Formen des E-learning sollen hier vor allem aus der Perspektive des Geschäftsmodells angesehen werden. Dabei können folgende Grundtypen von E-learning-Geschäftsmodellen als relevant angesehen werden:

  • Online Lernplattformen
  • Content
  • Learning Software
  • Learning Hardware

Derzeit am relevantesten sind sicher E-learning-Plattformen. Diese bieten Inhalte wie Weiterbildungskurse oder auch schon komplette Studiengänge an. Als Plattform sind sie öffentlich zugänglich und bieten sehr häufig auch kostenlose Angebote. Auch Freemium-Modelle sind für die Monetarisierung vorgesehen. Dieses Bild einer großen Zahl von innovativen Ansätzen zeigt, dass der E-learning-Markt vor der Professionalisierung steht. Im Rahmen einer bevorstehenden Professionalisierung werden sich aber vermutlich nur wenige Geschäfts- und Erlösmodelle etablieren.

Doch wie sieht die Zukunft des E-learning aus?

Die Zukunft der E-learning-Plattformen – the next big thing?

Da niemand in die Zukunft sehen kann, ist die Darstellung der weiteren Entwicklung im E-learning-Markt zwangsläufig spekulativ. Allerdings können aktuelle Probleme des konventionellen Bildungssektors herangezogen werden, um Lösungsmöglichkeiten durch E-learning aufzuzeigen. Die Umsetzung dieser Lösungsmöglichkeiten bilden dann das bestehende Potenzial des E-learning ab.

Problem 1 – Unterfinanzierung der Bildung

In vielen Ländern ist Bildung nicht ausreichend finanziert oder gute Bildung, die von privaten Bildungsanbieter angeboten wird, immer schwieriger zu finanzieren. Während der öffentliche Bildungssektor aufgrund von Finanzierungsengpässen in den staatlichen Haushalten chronisch unterfinanziert ist, lassen sich viele private Bildungsangebote nur noch durch Kreditaufnahme der Schüler und Studenten bzw. deren Eltern und Großeltern finanzieren. Dieses führt gerade in den USA häufig zu einer Überschuldung aufgrund von Bildungskrediten.

Das Ressourcenproblem der Bildung lässt sich durch E-learning zumindest mildern. Durch Teilautomatisierung von Bildungsprozessen können Kosten des Bildungssystem reduziert werden, so dass sowohl öffentliche als auch private Ressourcen geschont werden. Jüngst hat Thomas Frey, „Senior Futurist“ am DaVinci Institute die Rolle automatisierter Bildungsangebote unterstrichen. Dabei geht er sogar so weit, eine auf künstlicher Intelligenz basierende Lernplattform als dominierendes Internetunternehmen im Jahr 2030 zu prognostizieren.

Problem 2 – geringe Qualität der Bildung

Bildung ist nur so gut wie sie junge und alte Menschen auf die Lösung aktueller und vor allem zukünftige Probleme vorbereiten kann. Diese Probleme sind aber komplex und dynamisch, entsprechend müssen erfolgreiche Bildungsinhalte Komplexität reduzieren und die Dynamik technologischer Entwicklungen aufgreifen, ohne grundlegende Zusammenhänge zu vernachlässigen. Im Ergebnis ist der Anspruch an Bildungsinhalte aktuell so hoch wie nie zuvor. Eine Umsetzung dieser Ansprüche stellt viele Lehrer, Dozenten und Professoren vor große Herausforderung.

Auch bei diesem Problem kann die Digitalisierung der Bildung auf E-learning-Platforms helfen. Digitalisierung von Bildungsinhalten führt zu Skaleneffekten, also Größenvorteilen, die in sinkenden Durchschnittskosten bestehen. Diese Kostenersparnis kann bei Digitalisierung von Bildungsinhalten in eine bessere Qualität und Aktualität von Bildungsinhalten investiert werden.

Problem 3 – ungleicher Zugang zur Bildung

Große soziale Probleme haben ihre Ursachen im ungleichen Zugang zu Bildung. Dieser ist zum einem ökonomisch aber in manchen Ländern auch gesellschaftspolitisch bedingt. Durch E-learning und vor allem durch Online Learning wurde der Zugang zu Bildungsinhalten bereits erheblich demokratisiert, wie eine Studie von Class Central zeigt, eine Meta-Suchmaschine für MOOCs, also Massive Open Online Courses. Danach hat sich die Zahl der angebotenen MOOCs im Jahr 2015 nahezu verdoppelt haben. Die Zahl der Nutzer auf Online Learning Plattforms -wie Coursera, edX und Udacity, die bereits als „Big Three“ bezeichnet werden- steigt auf 35 Mio. Personen, die sich für einen Online Kurs registriert haben. Hilfreich dabei ist vor allem, dass viele Plattformen zunächst kostenfreie Angebote machen. Häufig ist nur das Absolvieren von Prüfungen und das Erreichen von Abschlüssen kostenpflichtig.

Lösungen – so können E-learning-Plattformen die Bildung revolutionieren

Wie sich also bereits jetzt schon abzeichnet, haben E-learning-Plattformen das Potenzial, zentrale Probleme im Bildungssektor vieler Länder lösen zu helfen. Dabei können sie Bildungsinhalte digitalisieren, Bildungsprozesse oder Teile davon automatisieren und helfen, die Effizienz von Bildungsprozessen zu messen und zu analysieren.

Digitalisierung von Bildungsinhalten

Der Prozess der Umwandlung konventioneller in digitale Bildungsinhalte ist in vollem Gange. E-Books mit Lehrinhalten, Forschungsplattformen und immer mehr Videomaterial wie etwa Tutorials stehen zur Verfügung. Sie werden von Schulen und Hochschulen zumindest in Deutschland zwar noch nicht sehr systematisch eingebunden, dafür aber von Schülern und Studenten umso umfassender genutzt.

Da digitalisierte Bildungsinhalte deutlich mobiler sind als konventionelle stehen sie wesentlicher stärker im Wettbewerb als etwa gedrucktes Material. Daher ist es für eine Bildungsinstitution, gerade für eine kleinere sinnvoll, sich bei der Erstellung eigenen Materials frühzeitig auf eine Nische und eine Spezialisierung zu fokussieren. Viele andere hervorragende digitale Bildungsinhalte lassen sich lizenzieren oder können in Kooperationen bezogen werden.

Bei digitalen Bildungsinhalten gibt es aber auch eine Vielzahl potentieller Innovationen. Virtuelle oder Augmented Reality verhelfen zu neuen Eindrücken, künstliche Intelligenz kann etwa fremdsprachige Texte übersetzen helfen.

Automatisierung von Bildungsprozessen

Bildung ist aufwändig und personalintensiv. Regelmäßig wird bemängelt, dass Lehrpersonal stärker mit Administration wie etwa Korrekturen, Gutachten oder statistischen Berichten beschäftigt ist als mit eigentlicher pädagogischer Arbeit. Ein Teil des Potenzials von E-learning-Plattformen liegt darin, dass administrative Vorgänge automatisiert werden können. Prüfungen können teil- oder z.T. sogar vollautomatisch korrigiert werden. Statistiken lassen sich vom System erstellen und An- und Abmeldungen organisieren. Natürlich ist auch die Bereitstellung von Informationen zu Bildungsangeboten und -abschlüssen digital effizienter möglich als analog. Der Einsatz künstlicher Intelligenz dürfte in Zukunft das Automatisierungspotenzial von E-learning-Plattformen noch weiter steigern.

Learning Analytics

Ein wesentlicher Aspekt der Digitalisierung ist der Zugang zu Nutzungsdaten, wenn eine digitale Plattform betrieben wird. Diese Daten, deren Erhebung und Analyse als WebAnalytics bezeichnet werden, stehen auch bei E-learning-Plattformen zur Verfügung. Sie können sowohl zur Weiterentwicklung der E-learning-Plattformen als auch zur Steuerung von Bildungsprozessen eingesetzt werden. Auf diese Art kann man auch die Effizienz von Bildungsprogrammen steigern, wenn man Ergebnisse aus dem Learning Analytics zur Steuerung von Ressourcen und Gestaltung von Bildungsangeboten nutzen kann.

Was E-learning strategisch von E-commerce lernen kann

Die beschriebenen Lösungsansätze stehen für die Digitalisierung der Bildung, die helfen kann, die Qualität und Effizienz von Bildungsangeboten zu erhöhen. Für diesen Digitalisierungsprozess kann sich gerade E-commerce als Vorbild herausstellen, denn E-commerce als neuer Sektor hat für die Digitalisierung des Handels bereits erfolgreiche Strategien entwickelt und umgesetzt. Diese Strategien können Entrepreneure auch auf den Bildungsssektor übertragen.

Schlüsselfaktoren im E-commerce

So können Schlüsselfaktoren, die im E-commerce zu erfolgreichen Unternehmen geführt haben, auch für die Entwicklung von E-learning-Plattformen hilfreich sein. Diese Schlüsselfaktoren sind:

  • Digitale Innovationen
  • Skaleneffekte
  • Data Driven Marketing
  • Customer Centricity.

Da diese Faktoren nicht nur für den E-commerce Relevanz haben, sondern auch allgemeine Bedeutung für die Digitalisierung insgesamt, sind sie ebenfalls für die Entwicklung von E-learning-Plattformen hilfreich. Folgende Anwendungen der Schlüsselfaktoren sind wichtig:

Digitale Innovationen: Durch Einsatz innovativer digitaler Technologien wie etwa Spracherkennung und Automatisierung können Alleinstellungsmerkmale entwickelt werden, die die Plattform im bereits begonnenen Wettbewerb der E-learning-Hubs konkurrenzfähig macht.

Skaleneffekte: Skaleneffekte entstehen als Kostenvorteile aufgrund sinkender Durchschnittskosten, wenn eine digitale Plattform besonders stark wächst. Daher ist ein zentraler Strategieansatz, schnelles Wachstum einer Plattform zu erreichen. Diesen Ansatz sollte man auch für E-learning-Plattformen übernehmen. Insbesondere die Internationalisierung und eine strikte Fokussierung auf die mobile Nutzung dürften für Wachstum und Skaleneffekte sorgen.

Data Driven Marketing: Mit steigenden Nutzerzahlen steht auch ein zunehmender Umfang an Nutzerdaten zur Verfügung. Wie oben bereits ausgeführt, können diese Daten helfen, sowohl das Bildungsangebot als auch die Bildungsprozesse und schließlich die Vermarktung der Plattform zu optimieren. Die Verwendung und Analyse von Nutzungsdaten im Rahmen der datenschutzrechtlichen Grundlagen ist also zwingend, wenn die Plattform langfristig nicht nur quantitativ sondern auch qualitativ wachsen soll.

Customer Centricity: Customer Centricity beschreibt die Fokussierung auf spezifische Kundensegmente. Da Bildung eine persönliche Dienstleistung ist, ist Customer Centricity ohne Zweifel der zentrale Faktor für einen langfristigen Erfolg von E-learning-Plattformen. Wenn diese dauerhaft Anlaufstelle für die Bildungsambitionen von immer mehr Menschen sind, kann von nachhaltigem Erfolg ausgegangen werden.

E-learning und E-commerce – operative Aspekte

Aber nicht nur strategisch, auch operativ gibt es Erfahrungen aus dem E-commerce, die  E-learning-Unternehmen übernehmen können. Insbesondere für die Monetarisierung von Services, die auf E-learning-Plattformen kommerziell angeboten werden, kann man bei ihrer Umsetzung auf E-commerce-Erfahrungen zurückgreifen. Auch die für die  Monetarisierung maßgebliche Optimierung von Usability, User Experience und letzten Endes auch Conversions lässt sich organisatorisch aus dem E-commerce übernehmen.

Das gilt auch für die Erzielung von Reichweite für eine Plattform durch Online Marketing . Diese kann man unmittelbar aus E-commerce Vermarktungskonzeptionen übertragen. Die größte Übereinstimmung dabei dürfte zu Online-Medienangeboten oder anderen Dienstleistungsangeboten bestehen, die online angeboten werden. Auch das Kundemanagement, die Organisation von Reviews, also Kundenkommentaren sowie die Abwicklung von Bezahlvorgängen sind Aufgaben, bei denen E-learning-Plattformen von E-commerce Erfahrungen profitieren können.

E-learning und E-commerce – neue Geschäftsmodelle für Onlinehändler?

Bei soviel Übereinstimmung stellt sich die Frage, ob nicht erfolgreiche E-commerce-Unternehmen zu E-learning-Anbietern werden können. Dieses ist nach den hier festgestellten Paralellen zwischen beiden Märkten durchaus möglich. Partnerschaften zwischen Bildungs- und E-commerce-Unternehmen bieten sich entsprechend an. Entscheidende Faktoren, die ein Bildungsunternehmen beisteuern kann, wären Bildungsinhalte, pädagogisch-didaktische Kompetenz und die Reputation. Allerdings zeigen Angebote wie Amazon education, dass im Bereich spezieller Bildungsangebote durchaus auch ein E-learning-Angebot ohne Kooperation mit einem Bildungsanbieter möglich ist. Schließlich dürften Bildungsangebote ein interessantes Instrument der Kundenbindung für Onlinehändler sein. Das betrifft vor allem komplexe Produkte, deren Qualität sich erst durch einen versierten Umgang mit dem Produkt ergeben. Ein Beispiel wären Fotokurse, die ein Fotoanbieter kostenfrei oder gegen ein subventioniertes Entgelt anbieten kann.

Text: Prof.Dr. Dominik Große Holtforth

Foto: Loreanto/Shutterstock.com

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert