Classplash: Zu viel Zukunft in der Bewertung
Gerade Startups in frühen Phasen müssen ihre Bewertung zu einem großen Teil auf zukünftigen Aussichten basieren. Deswegen ist die Finanzplanung auch so wichtig. Denn hieran sieht der Investor, woher die Zahlen kommen und versucht einzuschätzen, wie realistisch das alles ist. Da gehen die Meinungen zwischen Startup und Investor oft weit auseinander. Im Fall von Classplash hatten auch die DHDL-Zuschauer die Möglichkeit, eine solche Diskussion einmal mitzuerleben.
Photo: TVNOW / Bernd-Michael Maurer
Mit ihrem Angebot von 350.000 Euro für 10% der Firmenanteile lagen die beiden Gründer-Brüder von Classplash schon mindestens im mittleren Bereich der Bewertungen, die man bei “Die Höhle der Löwen” zu sehen bekommt. Und mussten viel Kritik für diese 3,5-Millionen Post-Money-Bewertung einstecken.
Die Löwen begründeten das vor allem mit den bisher zu schwachen Zahlen, obwohl sich alles auf den ersten Blick ja gar nicht so schlecht anhörte für das Musik-lern-Startup.
Denn die Brüder hatten einiges auf der Plus-Seite: Lern-Apps, die Kindern endlich das Noten lernen leichter machen sollten, eine Auszeichnung als innovativster Lehrer der Welt genau für dieses Konzept, 350.000 Downloads in verschiedenen Ländern, eine gute Marge und stetig steigende Umsätze.
Doch gerade letztere wurden von Nils Glagau mit einem “Das ist aber schwach” quittiert. Denn das Unternehmen war schon seit 2017 am Markt, hatte da zunächst 25.000 Euro umgesetzt, den Umsatz dann in 2018 verdoppelt, ebenso in 2019, so dass man hier schon 101.000 Euro vorweisen konnte. In 2020 blieb es jedoch bei 110.000 Euro. Nach zwei Verdopplungen in Folge sieht das natürlich wirklich erstmal etwas schwach aus. Wir können sicher sein, dass die Löwen hier noch nachgefragt haben, woran es denn genau lag, doch die Antwort wird sie wohl nicht wirklich zu einer anderen Meinung gebracht haben.
Als GründerIn kann man sich merken: Man sollte sich immer die eigenen Zahlen anschauen und eventuelle Wachstumseinbrüche gut argumentieren können, besonders wenn man eine hohe Bewertung aufruft. Ist das Wachstum bisher nur linear, sollte man sich überlegen, wie man glaubhaft darlegen kann, dass man bald den berühmten Hockey Stick des exponentiellen Wachstums erreichen kann.
Wenn man schon mehrere Jahre am Markt ist wie Classplash, muss man sich außerdem darüber im Klaren sein, dass nur der letzte Jahresumsatz für die Berechnung des berühmten “Multiples” herangezogen wird. Hierbei wird geschaut, mit welchem Faktor dieser Umsatz multipliziert werden muss, um auf die Bewertung zu kommen. Ralf Dümmel bemängelte hier stark den hohen Multiple von über 30. Zwar gibt es gerade in frühen Phasen Finanzierungsrunden, in denen ein solcher Multiple von Investoren akzeptiert wird, wenn auch sehr selten. Dann muss aber wirklich alles passen.
Ein sehr wichtiger Punkt bei der Bewertungsbegründung ist gerade dann auch der Funnel. Hier konnte man auch sehen, dass Carsten Maschmeyer sich diesen genau vorstellen wollte. Schritt für Schritt lies er die Gründer erklären, dass sie bisher ganze 350.000 Downloads erreicht hatten, diese Nutzer aber zunächst nicht zahlen. Durchschnittlich 10% von ihnen konvertierten zu zahlenden Kunden, also circa 35.000. Was immer noch eine Menge ist.
Doch das ist nur eine Facette des Geschäftsmodells, schließlich gibt es auch noch die “Bundles”, wo man direkt eine Flöte mit kaufen kann. Diese werden mit einer Marge von 10-13 Euro für rund 23 Euro verkauft. Auch das sind keine schlechten Werte.
Doch das alles reicht vor dem Hintergrund des aktuellen Umsatzes nicht, auch wenn die Gründer betonen, dass es gerade noch einmal richtig angezogen hat und auch die Retour unter 4% liegt. Die einzelnen Kennzahlen des Geschäftsmodells sind also gut, und könnten einen Investor vielleicht durchaus überzeugen, Energie in den Vertriebsaufbau zu stecken, wenn da nicht die hohe Bewertung wäre. Denn bei dieser Bewertung, die mehr als das 30fache des aktuellen Jahresumsatzes entspricht, muss das Unternehmen eben noch sehr stark wachsen, damit der Investor jemals sein Geld zurück bekommen kann. Und diese Möglichkeit kann man am derzeitigen Wachstum eben nicht erkennen.
Im Nachhinein wird Judith Williams noch bemerken, dass dieses Geschäftsmodell Millionen machen könnte, sobald der Sales-Funnel stimmt. Doch genau da hapert es ja, und Carsten Maschmeyer fehlt hier auch die entsprechende Expertise im Team, daher kommt von ihm schließlich ein “Ich bin raus.”
Doch die Gründer waren nicht völlig planlos, sie glauben an das große Wachstum, das in der Zukunft kommen wird. Vor allem bauen sie ihre Hoffnungen auf eine “Zauberflöten”-Edition ihres Flöten-Bundles, das wohl sogar der berühmte Regisseur Roland Emmerich für seinen gleichnamigen Film haben will. Über 800.000 Euro Umsatz wollen sie allein damit machen.
Doch den Löwen ist das zu unsicher, wenn diese Partnerschaft auch definitiv beeindruckend ist. Denn selbst Merchandise eines sehr erfolgreichen Films läuft nicht per se gut.
Und so sind die Begründungen für das erwartete große Wachstum den Investoren letztendlich zu schwach für einen Deal, die rosige Zukunft noch zu wackelig. In solchen Fällen sagt man auch gerne: Es ist einfach zu viel Zukunft in der Bewertung. Auch wenn diese Zukunft den engagierten Gründern zu gönnen ist.
Spannende Insights für die Beiträge lieferte uns Ruth Cremer!
Ruth Cremer ist Mathematikerin und Beraterin sowie Hochschuldozentin an der HS Fresenius im Master-Studiengang Digital Management mit den Vorlesungen Digital Entrepreneurship, Entrepreneurial Finance Management und E-Commerce. Als ehemalige Investmentmanagerin weiß sie, worauf Investoren achten und hilft auch bei der Pitch- und Dokumentenerstellung im Investitions- oder Übernahmeprozess. Bereits seit der fünften Staffel von „Die Höhle der Löwen“ ist sie als externe Beraterin an der Auswahl und Vorbereitung der Kandidaten beteiligt.
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