Social Commerce im Wandel: Erfolgsfaktoren für Marken in der Plattformökonomie
Social Commerce – also der Verkauf von Produkten direkt über soziale Medien – ist längst mehr als ein Buzzword. Während früher Shops und Social Media strikt getrennt waren, hat sich mittlerweile eine hybride Welt etabliert, in der Instagram, TikTok oder Pinterest nicht nur Kommunikations-, sondern auch Verkaufsplattformen sind. Der nachfolgende Beitrag fasst zentrale Erkenntnisse aus der Arbeit von Sebastian Arend zusammen, der am E-Commerce Institut in Köln untersucht hat, welche Erfolgsfaktoren im Social Commerce entscheidend sind – mit einem besonderen Fokus auf Zielgruppenansprache, Content und Technologie.
Warum Social Commerce heute so relevant ist
Durch die COVID-19-Pandemie wurde das Einkaufsverhalten vieler Menschen grundlegend verändert: Digitale Touchpoints rückten in den Mittelpunkt, und Social Media wurde zum Marktplatz. Laut dem Consumer Barometer 2024 haben 75 % der Konsumierenden mindestens einmal über soziale Medien eingekauft – ein klarer Beweis dafür, dass Social Commerce kein Nischentrend mehr ist, sondern die DNA des digitalen Handels neu schreibt.
Diese Entwicklung markiert einen tiefgreifenden Wandel: vom klassischen Push-Marketing hin zu dialogorientierten, emotionalisierten Einkaufserlebnissen. Unternehmen, die heute erfolgreich sein wollen, müssen verstehen, wie Communities funktionieren, wie Vertrauen über digitale Nähe entsteht – und wie Plattformlogiken strategisch genutzt werden können.

Zielgruppenansprache: Vertrauen vor Reichweite
Ein zentrales Ergebnis der Arbeit von Sebastian Arend ist die Rolle von Vertrauen als Währung im Social Commerce. Nutzer*innen orientieren sich weniger an Werbung, sondern stärker an Empfehlungen – etwa durch Influencer oder Community-Beiträge. Besonders Mikro-Influencer mit kleinen, thematisch fokussierten Follower-Gemeinschaften genießen hohe Glaubwürdigkeit. Unternehmen, die authentische Stimmen einbinden und aktiv Community-Management betreiben, schaffen Nähe – und steigern so die Kaufbereitschaft.
Das zeigt sich auch in der Anwendung klassischer Theorien wie dem „Social Proof“ oder der „sozialen Identitätstheorie“. Wer sieht, dass andere ein Produkt nutzen, fühlt sich bestätigt und zugehörig – das verstärkt emotionale Kaufimpulse.
Content: Kurz, visuell, interaktiv – aber plattformspezifisch
Ein weiterer Erfolgsfaktor liegt in der Content-Gestaltung. Besonders erfolgreich sind Inhalte, die emotionalisieren und konversionsstark sind – Reels, Stories, Shoppable Posts oder Livestreams. Doch: Nicht jeder Content funktioniert auf jeder Plattform gleich. TikTok lebt von schnellen, viralen Clips. Instagram eignet sich für visuelles Storytelling und Markenaufbau. Pinterest überzeugt bei Inspiration und Produktentdeckung.
Wichtig ist, Inhalte plattformspezifisch zu produzieren und dabei immer eine klare Handlungsaufforderung (Call-to-Action) zu integrieren. So wird aus einem simplen Video ein effektives Conversion-Tool. Auch nutzergenerierte Inhalte (User Generated Content) oder Challenges steigern die Sichtbarkeit durch algorithmische Relevanz.
Technologie: Reibungslose Prozesse und Datenschutz als Vertrauensfaktor
Technologisch punktet Social Commerce durch sogenannte „Zero Friction“-Prozesse: Der Kauf geschieht innerhalb der Plattform – ohne Weiterleitung zum Shop. Dafür braucht es integrierte Bezahlsysteme, API-Schnittstellen und KI-basierte Empfehlungssysteme. Gerade Letztere sind essenziell, um personalisierte Inhalte in Echtzeit auszuspielen.
Doch mit der zunehmenden Datenverarbeitung steigen auch die Anforderungen an Datenschutz und Ethik. Sebastian Arend argumentiert in seiner Arbeit, dass Transparenz und Datensouveränität zu echten Wettbewerbsvorteilen werden können. Etwa durch DSGVO-konforme Opt-ins und klare Kommunikation. Wer auf dieser Ebene Vertrauen aufbaut, hebt sich von der Konkurrenz ab.
Plattformwahl: Strategisches Matching statt „überall sein“
Ein oft unterschätzter Erfolgsfaktor ist die Auswahl der richtigen Plattform. Arend zeigt in einem direkten Vergleich, wie sich TikTok, Instagram, Pinterest und YouTube in Zielgruppen, Contentformaten und Reichweitenlogik unterscheiden. Wer „überall ein bisschen“ macht, verschenkt Potenzial. Besser ist es, sich gezielt für ein Netzwerk zu entscheiden – basierend auf Zielgruppendaten, Contentfähigkeiten und strategischen Zielen.
So ist TikTok ideal für virale Kampagnen bei Gen Z, während YouTube sich für erklärungsbedürftige Produkte eignet. Pinterest überzeugt durch hohe Kaufintention und klare visuelle Suchmuster.
Fazit: Social Commerce als ganzheitliche Strategie denken
Social Commerce ist keine einfache Ergänzung im Marketing-Mix – sondern ein komplexes Zusammenspiel aus Nutzerverhalten, Content-Dynamik, Plattformmechanik und Technologie. Arends Arbeit zeigt eindrucksvoll, dass Unternehmen, die alle Ebenen verstehen und integrieren, nachhaltige Wettbewerbsvorteile erzielen können.
Der Schlüssel liegt dabei nicht nur in technischer Exzellenz, sondern vor allem in der Fähigkeit, digitale Nähe zu schaffen. Wer authentisch kommuniziert, Vertrauen aufbaut und gleichzeitig technologisch auf der Höhe bleibt, hat beste Chancen, die Plattformökonomie für sich zu nutzen – und Kund*innen dort abzuholen, wo sie sich bereits aufhalten: in sozialen Netzwerken.
Über den Autor
Sebastian Arend ist Absolvent des Studiengangs „Digitales Marketing & E-Commerce“ an der IU Internationale Hochschule und forschte im Rahmen eines fünfmonatigen Praktikums am E-Commerce Institut Köln zu Social Commerce. Für seine Arbeit wurde er auf der International Scientific Practical Conference (ISPC) als „Best Young Scientist“ ausgezeichnet. Neben der inhaltlichen Arbeit übernahm er auch die operative Leitung der ISPC-Konferenz sowie die Veröffentlichung der Beiträge im Springer Nature Verlag. Seine Expertise liegt an der Schnittstelle zwischen Praxis, Plattformlogik und datengetriebenem Marketing.
Lesen Sie hier die vollständige wissenschaftliche Arbeit: DMEC03_Sebastian_Arend_Praxisarbeit_Social Commerce_2025-04-16.