Antonia Terriuolo verfasste mit Margherita Girotto und Anastasiia Chaikovska an der Ca’Foscari University of Venice einen hervorragenden Bericht darüber, wie Smart Cities, Startups und Co-Working zur Geschlechtergleichstellung beitragen. Die ersten wichtigen Ergebnisse werden im Folgenden vorgestellt. Die deutsche Übersetzung wurde durch Antonia Terriuolo verfasst.
1. Einleitung
In einer globalen Welt zu leben, birgt viele Möglichkeiten aber auch Herausforderungen. In einer Welt, welche verbundener ist als jemals zuvor, versuchen wir Individuen zu bleiben und zur gleichen Zeit wichtige Netzwerke rund um die Welt aufzubauen, um in dem Wirbelsturm, der unsere heutige Wirtschaftslandschaft kennzeichnet, nicht zurückzubleiben. Zunehmende Innovationen und sich immer weiterentwickelnde Technologie zwingen Menschen, Firmen und Regierungen diese umzusetzen uns sich an die sich verändernde Natur des Alltagslebens in der politischen, privaten und Arbeitswelt anzupassen.
In diesem Zusammenhang haben Smart Cities in den letzten Jahren wesentliche Aufmerksamkeit und Finanzierung erhalten. Im Anbetracht der Veröffentlichungen zu diesem Thema lässt sich schlussfolgern, dass solche Innovationen einen positiven Einfluss auf den urbanen Wirtschaftsprozess haben. Da der spezifische Kontext jeder Stadt die technologischen, organisatorischen und politischen Aspekte gestaltet, kann das Konzept einer Smart City als Innovation des technologischen, geschäftsführenden und organisatorischen Bereichs gewertet werden.
Dieser Bericht fokussiert sich auf diese Innovation als Beitrag zu dem Nachhaltigkeitsziel (Sustainable Development Goal (SDG)) Nummer 5, welches sich mit Geschlechtergleichheit befasst. Das Smart City Konzept wurde als Hauptinnovation für diesen Bericht ausgewählt. Diese Arbeit analysiert die Implikationen des unterschiedlichen Verständnisses des Smart City Konzepts; für die Fähigkeit der Städte, innovativ, sicher und geschützt zu sein, um die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern.
Der Bericht umfasst die folgenden Themen: Beschreibung der gewählten Innovation, ihr Konzept und ihre Herkunft; eine Begutachtung der relevanten Literatur folgt, sowie eine Beschreibung des theoretischen Modells von Smart Cities und seine Implikationen für Geschlechtergleichheit. Zusätzlich umfasst es die Innovationsökonomie, die Relevanz der Industrie 4.0, die Marktstruktur der gewählten Innovation, sowie ihr Innovationstyp. Letztlich folgt eine Fallstudie über das Startup Safe & The City, um die theoretische Recherche in eine praktische Perspektive zu bringen. Die Recherche beinhaltet ebenso Meinungen und Anregungen zweier Interviews, welche mit verschiedenen Firmen durchgeführt worden sind, da beide Firmen versuchen das SDG Nummer 5 zu fördern. Da ein:e Interviewpartner:in einer Veröffentlichung des Berichts nicht ausdrücklich zustimmte, wurde der Name zu „Interviewpartner:in 2“ geändert und die Firmeninformationen anonymisiert.
Die Autoren dieses Berichts bezwecken das Konzept der Smart City als eine Innovation zur Förderung von mehr Integration, Sicherheit, Widerstandsfähigkeit und Nachhaltigkeit zu betrachten, damit Städte gedeihen und all ihren Bewohner:innen gleiche Chancen bieten können. Gleichzeitig soll die Notwendigkeit einer Geschlechtergleichstellung auf nationaler Ebene hervorgehoben werden. Eine Verbesserung von Geschlechtergleichheit oder idealerweise eine Beseitigung von Geschlechterungleichheit auf nationaler Ebene wird einen positiven Einfluss auf globaler Ebene haben, was die Relevanz des gewählten Themas zusätzlich hervorhebt, insbesondere durch die zuvor erwähnte Tragweite der Globalisierung.
2. Smart Cities: Ein Ansatz für ein besseres Leben
Basierend auf dem gestiegenen Interesse regionaler Entscheidungstreffer für Technologie und Innovation lässt sich das Smart City Konzept anführen, um wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen, wie regionale Bereiche den Anforderungen einer schnelllebenden Welt gerecht werden können. Dementsprechend erklärt dieses Kapitel das Konzept der Smart Cities in Bezug auf Nachhaltigkeit, sowie ein theoretisches Modell der Smart City Anwendung. Schließlich wird die Funktionsfähigkeit des Modells am Markt erläutert, um eine allgemeine Wissensbasis für diesen Bericht zu gewährleisten.
2.1. Nachhaltigkeitsherausforderungen und die Rolle von Smart Cities
Die menschliche Existent seit der industriellen Revolution hat einen enormen Einfluss auf unseren Planeten. Das Bevölkerungswachstum und unsere aktive Rolle führen zu negativen Konsequenzen für das System der Erde (Steffen, Grinevald, Crutzen & McNeill, 2011). Der Begriff Anthropozän kann verwendet werden, um die jetzige Ära der Erdgeschichte zu definieren; fokussiert man sich auf die Veränderungen, welche die Menschheit zurzeit erlebt, können wir die Art und Weise, wie das menschliche Verhalten den Lebenszyklus des natürlichen Klimas negativ beeinflusst und, mit anderen Worten, die Möglichkeit für zukünftige Generationen, ohne tägliche ökogeologische Katastrophen zu leben, beeinflussen (Ny, MacDonald, Broman, Yamamoto & Robért, 2006). 2018 lebten 55% der Weltbevölkerung in urbanen Gegenden, welches voraussichtlich auf 68% im Jahre 2050 steigen wird, was wiederum 2,5 Milliarden Menschen (Vereinte Nationen, 2018) zu der Bevölkerung in den nächsten drei Jahrzenten hinzufügen wird. Darüber hinaus werden der Bevölkerungsanstieg und die Veränderung von ländlichen zu urbanen Regionen die Notwendigkeit erhöhen die ökologische, soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit der Ressourcen zu verwalten (Europäische Kommission, o.D. a). Dies hat nachwirkend zu dem Hervortreten des Smart City Konzepts beigetragen. Für diesen Bericht haben sich die Autorinnen dazu entschieden sich auf das zuvor erwähntes Konzept zu fokussieren. Demnach können Smart Cities als „Investitionen in Human- und Sozialkapital, sowie als traditionelle (Verkehrs-) und moderne (ICT) Kommunikationsinfrastrukturen, welche ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum fördern und eine hohe Lebensqualität mit weiser Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen durch partizipative Kontrolle fördern“ definiert werden (Caragliu, Del Bo & Nijkamp, 2011, S. 50). Der Begriff ICT bedeutet in der Regel Information and Communications Technology.
Das Hauptziel einer Smart City ist es das Funktionieren der Stadt zu optimieren, ökonomisches Wachstum zu fördern und gleichzeitig die Lebensqualität der Bevölkerung vor Ort durch smarte Technologien und Datenanalysen zu verbessern. Demnach heben Smart Cities wichtige Aspekte der Nachhaltigkeit hervor; beispielsweise die Notwendigkeit verantwortungsbewusstem Ressourcenmanagement durch digitale Technologien, Energieeffizienz, sowie bürgerschaftlichem Engagement (Europäische Kommission , o.D. a). Das Konzept hinter Smart Cities kann einer Stadt nur helfen Nachhaltigkeit zu erreichen, wenn “es ihr erlaubt innerhalb der natürlichen Grenzen der Erde zu funktionieren“ (Colldahl, Frey & Kelemen, 2013, S. v). Folglich wäre eine Annahme der Smart City Strategie vorteilhaft für das lokale Ballungsgebiet nicht nur von einem ökologischen Standpunkt aus, sondern auch von einem sozialen, da es die Fortsetzung des menschlichen Lebens in diesem Gebiet ermöglicht.
2.2. Smart City Modell: Ein theoretischer Ansatz für die Innovation
Obwohl die Definition von Smart Cities nicht immer präzise, manchmal zweideutig und abhängig vom jeweiligen Kontext ist, kann die Definition von Caragliu, Del Bo und Nijkamp(2011) als Basis für die Entwicklung des Smart City Modells von Giffinger et al. (2007) verwendet werden. Dieses Modell beinhaltet ein Klassifikationssystem der Smart City mit sechs spezifischen Eigenschaften (Smart Economy, Smart People, Smart Governance, Smart Mobility, Smart Environment und Smart Living), wie Abbildung 1 zeigt.
Abb. 1: Eigenschaften einer Smart City (Giffinger et al. 2007, S. 13).
Das Modell wurde ursprünglich als Bewertungsinstrument mittelgroßer Europäischer Städte entwickelt, insbesondere in den Bereichen Wirtschaft, Menschen, Regierungsgewalt, Mobilität, Umwelt und Leben, welche das derzeitige Wachstum einer Stadt prüfen und Bereiche identifizieren, welche weitere Entwicklung benötigen, um als Smart City definiert werden zu können (Giffinger et al., 2007). Im Anbetracht des Europäischen Rahmens ist das Modell für diesen Bericht von enormer Wichtigkeit, da die Firmen der Interviews in Europa ansässig sind. Gemäß dem Modell hat jede Charakteristik einen bestimmenden Faktor, welches in Abb. 2 genauer dargestellt ist. Nichtsdestotrotz können die Charakteristiken wie folgt beschrieben werden:
Abb. 2: Sechs Eigenschaften und die jeweiligen Faktoren des Smart City Modells (Giffinger et al., 2007, S.12).
Die zuvor erläuterten Charakteristiken und Faktoren tragen zur Gestaltung der Smart City Performance Indikatoren bei, welche durch eine Datenbank öffentlich zugänglicher Daten erfasst werden und zur Bewertung der Performance einer Stadt als Smart City verwendet werden (Giffinger et al., 2007). Laut des theoretischen Modells ist es nicht genug lediglich politische Entscheidungen der Regierung zu implementieren, sondern es handle sich um einen fortlaufenden Prozess, welcher ständige Überprüfungen und Revisionen erfordert. Insbesondere müsse überprüft werden, ob sich die Entwicklung auf dem vorgegebenen Pfad befindet oder ob Anpassungen vorgenommen werden müssen. Demnach wird eine heutige Implementation einer Smart City Strategie die Art und Weise, wie eine Stadt/Regierung innerhalb einer lokalen Region handelt, für eine lange Zeit beeinflussen. Dies wiederum zeigt, dass eine Smart City eine Innovation mit einer potenziell langfristigen Wirkung ist.
2.3. Smart Cities Marketplace und ihre Funktion
Durch die Einführung des sogenannten Smart Cities Marketplace, welcher durch das Zusammenführen zweier Plattformen (der „Marketplace of the European Innovation Partnership on Smart Cities and Communities“ (EIP-SCC Marketplace) und dem „Smart Cities Information System“ (SCIS)) entstand, wurde die Implementation einer Smart City möglich gemacht (Europäische Kommission , o.D. a). Es handelt sich hierbei um einmarktveränderndes Unterfangen, welches als Ziel hat Städte, Industrien, kleine und mittlere Unternehmen (KMU), Investoren, Banken, Forscher und weitere Smart City Akteurezusammen zu bringen. Zusätzlich hat der Smart Cities Marketplace viele Anhänger aus Europa und darüber hinaus, von denen sich viele bereits als Mitglieder angemeldet haben. Ihre gemeinsamen Ziele sind es die Lebensqualität der Bewohner:innen und die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Städte zu verbessern, sowie europäische Energie- und Klimaziele zu erreichen. Außerdem fokussieren sie sich auf verschiedene Bereiche von Querschnittsoperationen; dies beinhaltet nachhaltige urbane Mobilität, nachhaltige Bezirke, sowie das Bauen von in die Umwelt integrierte Infrastrukturen und Prozesse in ICT und Transport. Es fokussiert sich ebenso auf Betreuung der Bürger:innen, Politik und Regulierung im Allgemeinen, sowie generellen Wissensaustausch. Zusätzlich setzt der Marketplace voraus, dass Planungs- und Managementtools, Grundlinien, Performance Indikatoren, Standards, Metriken, Verwaltung öffentlich zugänglicher Daten, Geschäftsmodelle, Beschaffung und Finanzierung implementiert werden. Die Smart Cities MarketplaceVorgänge werden durch die integrierten „Explore-Shape-Deal Matchmaking“–Prozesse durchgeführt, welche einen maximalen Wissensaustauch über die Unterstützung des Kapazitäten Aufbaus, die Entwicklung, Umsetzung, Replikation und das Upscaling von Smart City Lösungen anstreben. Der Prozess setzt sich aus drei aufeinanderfolgenden Phasen zusammen. Mit anderen Worten: eine bestimmte Phase kann nicht erreicht werden, wenn eine Vorherige noch nicht vollständig erfüllt wurde:
Nun können wir die Schritte, welche ein Smart City nach ihrer Implementierung täglich befolgen muss, skizzieren. Zu Beginn sammeln „smart“ Sensoren Daten in Echtzeit, welche dann analysiert werden, um Einsicht in die Funktionsfähigkeit der Services und Vorgänge der Stadt zu bekommen. Folglich werden die Ergebnisse der Datenanalyse Entscheidungsträgern mitgeteilt, welche wiederum entscheiden, wie die Vorgänge verbessert, die Anlagen verwaltet und die Lebensqualität der urbanen Bewohner:innen verbessert werden können (TWI Ltd., o.D.). Die zuvor genannten Schritte sind in Abb. 3 graphisch dargestellt.
Abb. 3: Smart Cities Arbeitsprozess
3. Umfassende Begutachtung des Smart City Konzepts
Um eine weitere Ebene in die Diskussion um Smart Cities hinzuzufügen, befasst sich dieses Kapitel, basierend auf sorgfältiger Literaturrecherche, mit einer theoretischen Definition, einem theoretischen Rahmen und einer realen Anwendung des Smart City Konzepts.
3.1. Smart City Definition
Wie bei jedem theoretischen Konzept innerhalb eines bestimmten Forschungsbereichs ist eine schlüssige und gut formulierte Definition des jeweiligen Konzepts notwendig, um ein fundiertes Verständnis über das Konzept aufzubauen. Dieses Kapitel versucht dies durch relevante Literatur zu tun, um eine allumfassende Definition der Smart Cities zu generieren.
3.1.1. Theoretische Definition der Smart City
Im Allgemeinen kann „eine Stadt als ‚smart‘ definiert werden insofern sie eine innovative und kollaborative Regierungsform implementiert, welche sich zum Ziel setzt, die Lebensqualität der Bewohner:innen und die ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit zu fördern“ (Nesti, 2019, S. 289). Der Diskurs um und herum Smart Cities beinhaltet ein besonders wichtiges Thema in Bezug auf Nachhaltigkeit: die Triple Bottom Line, welche die zuvor genannten Bereiche (sozial, ökologisch und ökonomisch) beinhaltet (Alhaddi, 2015). Somit bietet das neue Konzept einen neuen Rahmen für Firmen ihr Geschäft durchzuführen und mehr als nur den traditionellen Nettoprofit zu berücksichtigen. Außerdem hebt es die Wichtigkeit von CSR–Problemen, sowie die Rolle der Unternehmen im Schaffen einer nachhaltigeren Welt hervor. Dieses Ziel wird ebenso von den SDGs der Vereinten Nationen repräsentiert, welche genauer zu einem späteren Zeitpunkt dieses Berichts betrachtet werden. Dennoch muss wiederholt werden, dass das Smart City Konzept unverzichtbar mit Nachhaltigkeit verbunden ist, was wiederum die Wichtigkeit im Kontext dieses Berichts hervorhebt.
Die Hauptkomponenten einer Smart City sind bürgerliche Partizipation und Inklusion (Nesti, 2019), welches den kollaborativen Ansatz der Innovation hervorhebt. Dies wird zusätzlich durch die wachsende Bevölkerungszahl verstärkt, sowie durch die erhöhte Komplexität der Stadtverwaltung. Beides fordert technologische Lösungen für urbane Räume und öffentliche Dienstleistungen; Punkte, in denen sich eine Smart City entwickeln kann. Somit verbindet das Konzept Technologie mit ökologischen Aspekten und Wohlbefinden seiner Einwohner:innen. Daraus resultiert, dass sich die Mitwirkenden im Bereich der Stadt, Bewohner:innen, Technologie und Regierung befinden, welche jeweils durch spezifisch gesetzte Ziele für den jeweiligen Aspekt definiert und gemessen werden müssen. Das Smart City Konzept beginnt auf der nationalen Unterebene einer bestimmten Stadt, doch gegeben seines technologischen and innovativen Aspekts, kann es durch ein Städtenetzwerk zu einer nationalen oder sogar globalen Dimension vernetzt werden (Damerei, 2013). Diese Vernetzung einzelner Aspekte ist unten visualisiert (siehe Abb. 4). Anhand dieser Ergebnisse lässt sich eine umfassende Definition ableiten: „eine Smart City ist ein gut definierter geographischer Bereich, in welchem hohe Technologien, wie ICTs, Logistik, Energieerzeugung etc. kooperieren, um Vorteile für die Bewohner:innen in Bezug auf Wohlbefinden, Inklusion, Partizipation, Umweltqualität und intelligenter Entwicklung zu schaffen und die Stadt wird regiert von einer genau definierten Gruppe an Menschen, welchen es möglich ist Regeln und Richtlinien für die Stadtverwaltung und -entwicklung zu bestimmen“ (Dameri, 2013, S. 2549).
Abb. 4: Smart City umfassendes Schema (Dameri, 2013, S. 2549).
Das zuvor theoretisch erklärte Smart City Konzept kann verwendet werden, um den Unterschied oder die Konformität zwischen empirischer Definition und der realen Umsetzung zu messen und zu bewerten. Außerdem lässt es sich anführen, um einer Stadt bei der Entwicklung von Evaluationstools zu helfen, welche die Wirksamkeit der staatlichen Politik, sowie der privaten Initiativen zur Förderung von Smart Cities bewertet (Dameri, 2013). Die zusätzlichen Erfahrungen, welche eine Stadt macht, können verwendet werden, um die Initiativen in weiteren Städten zu unterstützen, welches erneut den kollaborativen Ansatz und die Nützlichkeit von Smart Cities über Grenzen hinaus, seien diese national oder international, hervorhebt.
3.1.2. Geschlechtergleichheit in Smart Cities
Im Anbetracht des Rahmens dieses Berichts wird die Innovation der Smart Cities nun in Bezug auf Geschlechtergleichheit betrachtet.
Es ist ein Fakt, dass verstärkte Geschlechtergleichheit oder verminderte Diskriminierung vonFrauen einen „Multi-Stakeholder-Ansatz“ erfordert, was bedeutet, dass mehrere Interessenvertreter involviert sein müssen. Diese müssen ebenso über Wissen des lokalen Bereichs, d.h. der Stadt, verfügen, um eine Smart City aufbauen zu können. Im Einzelnen bedeutet dies, dass historische Erfahrungen im Umgang mit den Erfahrungswerten von Frauen innerhalb eines spezifischen urbanen Umfeldes heute und in der Zukunft verwendet werden. Die Literatur beschäftigt sich in diesem Zusammenhang mit geschlechtergerechten urbanen Technologien, welche sicherstellen, dass Frauen eine aktive Rolle im Aufbau von sicheren Systemen spielen, anstatt nur die Empfängerinnen solcher Technologien zu sein (Baskaradas & Reilly, 2020). Zum wiederholten Mal wird hiermit der partizipative Aspekt der Smart Cities hervorgehoben.
Die soziale Komponente der Diskussion um Geschlechtergleichheit lässt zu der Schlussfolgerung kommen, dass Smart Cities, neben Technologie, auch sozialwissenschaftliche Themen adressiert. Mit anderen Worten: Smart Cities beschäftigen sich mit der Verbesserung der Lebensqualität und zur gleichen Zeit mit der Erschaffung von integrativen öffentlichen Dienstleistungen, welche zur Reduzierung von Ungleichheit beiträgt(Sasanapitak & Amornsiriphong, 2020). In diesem Zusammenhang wird die Fallstudie einer Firma innerhalb dieses Berichts Licht darauf werfen, wie historische Daten verwendet werden können, um die Sicherheit von Frauen zu verbessern.
Zusätzlich fokussieren sich die Vereinten Nationen ebenso auf das Einbinden von Geschlechtergleichheit im Aufbau von Smart Cities. Demnach wird hier ebenso die Wichtigkeit, Frauen vor Gewalt zu bewahren und ihre Beteiligung zur Schaffung von wirtschaftlicher Befähigung, betont (Mehta & Yadav, 2016). Dies ist besonders in weniger entwickelten Ländern von Wichtigkeit, in welchen Frauen systematisch die Chance verwehrt wird die gleichen Chancen zu haben wie ihre männlichen Kontrahenten.
3.2. The framework of smart cities
Nachdem der theoretische Rahmen des Smart City Konzepts zuvor erläutert wurde, lässt sich die damit verbundene Möglichkeit für politische Entscheidungsträger hervorheben, eine nachhaltige und integrative Stadt für zukünftige Generationen zu kreieren. Baskaradas und Reilly nennen dies eine „smart Revolution” (2020, o.S.). Darüber hinaus hat die Literaturrecherche ergeben, dass das Triple Helix Model (zu Deutsch: „Dreifach Helix Modell“) überarbeitet wurde, um das neue Schema der Smart Cities adäquat zu adressieren. Außerdem wird das Triple Helix Model im Zuge der Analyse von wissensbasierten Innovationssystemen und ihren wechselseitigen, sowie mehreren Beziehungen zwischen der drei Komponenten (Universität, Industrie und Regierung) definiert. In anderen Worten lässt sich sagen, dass Universitäten und Regierungen Wissen produzieren, wohingegen Industrien und Universitäten patentierte Innovationen hervorbringen. Diese Innovationen werden folglich als Index verwendet, um intellektuelles Kapital in anderen Bereichen zu bewerten.Dementsprechend nutzt das Modell den Prozess der Wissensbildung und der Kapitalisierung der Kreationen der drei Agenten, um wiederum eine Smart City zu erschaffen (Lombardi, Giodano, Farou & Yousef, 2012). Diese Beziehung und das Triple Helix Model ist folglich graphisch dargestellt (siehe Abb. 5).
Abb. 5: Das Hauptnetzwerk (Lombardi, Giodano, Farou & Yousef, 2012, S. 145).
3.3. Praktische Anwendung von Smart Cities
Vorherige Unterkapitel haben sich insbesondere mit dem theoretischen Aspekt von Smart Cities in der Literatur beschäftigt. Dennoch können ebenso praktische Anwendungen des Modells in der verfügbaren Literatur gefunden werden.
In diesem Kontext haben Wissenschaftler:innen die Städte London und Berlin miteinander verglichen, da sie beide als ICT-starke Städte mit Smart City Agenden für die Zukunft gelten und von einer Vielzahl von Austauschplattformen Gebrauch machen. Durch die smart Agenden unterstützen sie aktiv den urbanen Austausch; die zwei Städte setzen sich zum Ziel technische Innovationen und das Aufkommen von Startups zu unterstützen. Doch Forschungen zeigen, dass, obwohl diese Initiativen existieren, sie sehr selten sind. Demnach ist hier noch viel Spielraum für Verbesserungen in der Zukunft, um die Anzahl von urbanen Austauschinitiativen zu erhöhen. Darüber hinaus identifizieren Forscher:innen „vier Rollen, welche sich Städte annehmen können in ihren Anstrengungen ICT-gestützten urbanen Austausch zu regulieren: die Stadt als Regulierungsbehörde, die Stadt als Anbieter, die Stadt als Wegbereiter und die Stadt als Konsument“ (Zvolska, Lehner, Voytenko Palgan, Mont & Plepys, 2019, S. 640). Im Allgemeinen zeigen diese realen Beispiele, dass Smart City Strategien einen direkten Einfluss auf verschiedene Agenten der Smart Cities haben. Wie zuvor erläutert geschieht dies nicht nur theoretisch, sondern auch im echten Leben. Weitere Forschungen schauen sich die Smart City Initiativen dreier verschiedener Städte genauer an; diese sind Hamburg, Berlin und Enschede. Genauer gesagt haben diese drei Städte partizipative Strategien eingeführt, um eine Smart City zu werden. Innerhalb dieses Prozesses wird ebenso die Arbeitsweise der Regierung verbessert. Beim genaueren Betrachten der Situation in Berlin lässt sich eine Smart City Strategie identifizieren, welche zum Ziel hat, die folgenden Aspekte zu erfüllen:
Eines der Hauptziele dieser Strategie ist es die Stadt auf internationaler Ebene wettbewerbsfähiger zu machen und ihre Innovationskraft besser zu vermarkten. Dementsprechend zielt Berlins Smart City Strategie darauf ab die Regierung und ihre öffentliche Administration zu digitalisieren, da dies in Deutschland zurzeit noch mit sehr hohen bürokratischen Hürden verbunden ist. Innerhalb der Studie führten die Forscher:inneneine Umfrage mit den Angestellten der Stadt Berlin durch, welche zu dem Ergebnis führt, dass diese das Smart City Berlin Netzwerk als wichtigsten Aspekt der Smart City Berlin ansehen. Außerdem fanden sie heraus, dass der partizipative Charakter der Strategie unverzichtbar für ihren Erfolg ist, welches zuvor angeführte Aussagen unterstützt. Genauer gesagt identifiziert diese Forschung digitale Strategien und Applikation, um erfolgreicher zu sein, gegeben, dass die Bewohner:innen sie zuvor abgesegnet haben. Um dies durchzuführen werden Marketingstrategien angewandt, um mit den Bewohner:innen über die sozialen Medien zu kommunizieren, was wiederum zu sogenannter e-Partizipation führt. Zusätzlich verwendet Berlin eine e-Partizipationsstrategie durch das Verwenden von öffentlich zugänglichen Daten, in welchem Zusammenhang interessierte Menschen Informationen, beispielsweise zu Senatslösungen, finden können. Diese Strategie nennt sich Mein Berlin, welches als Hauptpartizipationsinstrument in Berlin fungiert. Außerdem wurden seitens der Industrie verschiedene Innovationen kreiert, um „smarte“ Lösungen auf Regierungsebene zu finden. Eine dieser Innovationen nennt sich DIALOG BOX, welches zum Ziel hat die Kommunikation zwischen Anwohner:innen und der Regierung zu verbessern und somit die Kommunikation effektiver zu gestalten. Einmal mehr ist das Hauptziel der Software die Partizipation der Bürger:innen zu erleichtern, was erneut die partizipatorische Natur der Smart Cities hervorhebt. Trotzdem ist Berlins Hauptproblem, dass, obwohl Netzwerke als inkommensurabel gesehen werden, die Pläne für die Berlin Smart City Strategie nur Pläne bleiben, da die Netzwerke und der Informations– und Ideenaustausch noch nicht zu bahnbrechenden Ergebnissen geführt hat, um Berlin zu einer echten Smart City zu machen (Spil, Effing & Kwast, 2017). Es lässt sich annehmen, dass Deutschland nicht den nahrhaftesten Boden für die Implementierung solcher Innovationen bietet, da das Land in ein stark in bürokratisches System verstrickt ist. Dies zu ändern, würde einen hohen Aufwand und Wunsch nach Veränderung voraussetzen. Die Annahme, dass Deutschland im Allgemeinen eine skeptische Haltung gegenüber solchen Initiativen hat, wird von den Forschungsergebnissen von Zvolska, Lehner, Voytenko Palgan, Mont und Plepys (2019)unterstützt.
4. Wirtschaftliche Aspekte der Innovation
In Bezug auf die Ökonomie der Smart City Innovation wurden bestimmte Fragen gewählt, um der Diskussion um Smart Cities im innovativen Bereich mehr tiefe zu verleihen, welche in den folgenden Unterkapiteln beantwortet werden.
4.1. Was ist das Merkmal der Innovation? Handelt es sich um eine radikale oder eine inkrementelle Innovation?
Eine radikale oder disruptive Innovation ist eine Innovation, die erhebliche Auswirkungen auf einen Markt und auf die Wirtschaftstätigkeit der Unternehmen auf diesem Markt hat. Dieses Konzept konzentriert sich auf die Auswirkungen von Innovationen im Gegensatz zu ihrer Neuartigkeit. Die Innovation könnte zum Beispiel die Struktur des Marktes verändern, neue Märkte schaffen oder bestehende Produkte überflüssig machen. Es kann jedoch sein, dass eine Innovation erst lange nach ihrer Einführung als störend empfunden wird, und die Grenze zwischen inkrementeller und radikaler Innovation kann unterschiedlich hoch angesetzt werden. Dies macht es schwierig, Daten über disruptive Innovationen innerhalb des in einer Innovationserhebung untersuchten Zeitraums von in der Regel zwei Jahren zu erheben. Nach Schumpeters Auffassung führen „radikale“ Innovationen zu großen disruptiven Veränderungen, während inkrementelle Innovationen ein bestehendes Produkt, eine Dienstleistung, einen Prozess, eine Organisation oder eine Methode betreffen, deren Leistung erheblich verbessert oder erhöht wurde. Somit kann Safe & The City als inkrementelle Innovation betrachtet werden, da es keine neuen Konzepte oder Produkte schafft, sondern sich auf marginale Verbesserungen des Bestehenden konzentriert.
4.2. Ist es eine offene Innovation?
Eine offene Innovation ist ein Paradigma, welches annimmt, dass Firmen externe, sowie interne, Ideen und Wege zur Marktreife bezüglich Technologieverbesserungen verwenden können und sollen. Diese offenen Innovationen kombinieren interne und externe Ideen in Systeme, dessen Anforderungen innerhalb eines Businessmodells definiert sind (Chesbrough, 2003).
In Anbetracht der Definition von Prof. Chesbrough kann Safe & The City als offeneInnovation definiert werden. Diese Innovation verlässt sich nicht nur auf internes Wissen, Quellen und Ressourcen, wie beispielsweise Angestellte oder R&D, im Kontext von Innovationen, sondern sammelt ebenso Informationen von Nutzer:innen, Partner:innen und Behörden.
4.3. Was ist die Marktstruktur und das Diffusionsmuster?
Seit den späten 2000ern lässt sich der Terminus „Smart City“ mit erhöhter Frequenz in politischen, sowie akademischen, Debatten wiederfinden, sodass er inzwischen frühere Konzepte der städtischen Nachhaltigkeit, wie nachhaltige Städte und Ökostädte, in den Schatten gestellt hat (Joss, 2015).
Das Konzept der Smart City ist neu und wurde bereits von vielen Startups und großen Firmen angewandt. Demnach ist die Marktstruktur Smart City Innovation sehr gesättigt. Was jedoch Safe & the City von anderen im Markt unterscheidet ist, dass es derzeit viele Apps gibt, welche eine Person von Punkt A zu B bringen, doch keine von diesen fokussieren sich auf die Sicherheit der Nutzer:innen, so wie es Safe & the City tut. Darüber hinaus ist es die einzige App, welche sich den SDGs der Vereinten Nationen verschrieben hat, was in keinem Fall dem Marktstandard entspricht.
4.4. Hat die Innovation eine gesellschaftliche Auswirkung? Ist sie eine lokale Innovation?
Safe & the City ist auf der Mission der weltweit verantwortungsvollste Anbieter von Dateneinblicken zu werden, um die Entstehung einer „smarteren“ und sicheren Stadt möglich zu machen. Die App wird benutzt, um ihre Benutzer:innen zu schützen; sei es auf einem Date, wenn sie neue Menschen treffen oder wenn sie sich von einem zum nächsten Ort bewegen. Je größer die Plattform wird, desto größer wird ihr Einfluss auf die Gesellschaft insgesamt sein. Dadurch, dass diese Technologie anzeigt, wo sich Nutzer:innen wohlfühlen, werden mehr Menschen mehr Zeit an genau diesen Orten verbringen (Kowalchuk, o.D.).
Safe & The City ist in London ansässig aber sieht sich selbst als globale Datenfirma. Mit diesen Ambitionen kann die Firma nicht als lokale Innovation definiert werden, obwohl sie die Gesellschaft auf lokaler Ebene beeinflusst.
4.5. Industrie 4.0: Ist die Innovation mit I4.0 verbunden?
Industrie 4.0 (I4.0) repräsentiert die vierte Revolution im Bereich der Herstellung/Produktion. Von der ersten industriellen Revolution (Mechanisierung durch Wasser- und Dampfkraf) zu der Produktion und Fließbänder mit elektrischer Energie währen der zweiten Revolution, nutzt die vierte industrielle Revolution das, was in der Dritten durch die Einführung von Computern und Automatisierung begonnen worden ist, und verbessert es durch „smarte“ und autonome Systeme, welche durch Daten und Machine Learning angetrieben werden (Marr, 2018).
Die Firma Safe & the City ist durch ihre datengetriebene Plattform mit I4.0 verbunden, da sieMillionen von Datenquellen scannt, um die Nutzer:innen darüber zu informieren, ob der Ort, wo sie sich hinbegeben, sie in eine gefährliche Situation oder einen kriminellen Hotspot bringen könnte. Die Plattform nutzt Daten von Partnerorganisationen, um den Nutzer:innensichere Routen in der Stadt zu zeigen, das Bewusstsein für Risiken zu schärfen und die Meldung von Belästigungen zu erleichtern.
Teil 1 von 4. Wir hoffen, dass Ihnen der Bericht gefallen hat und freuen uns auf den nächsten Teil.