Lange Zeit schien es, als würde der stationäre Handel von der digitalen Welle überrollt werden. Mit dem Aufstieg des E-Commerce, der durch Online-Giganten wie Amazon, Zalando oder Shopify getrieben wurde, galt der physische Handel als auslaufendes Modell. Doch aktuelle Marktzahlen erzählen eine andere Geschichte: Die einst disruptive Kraft des Onlinehandels hat sich stabilisiert – und die klassischen Ladengeschäfte erleben im Zuge intelligenter Omnichannel-Strategien ein bemerkenswertes Comeback. Händler, die Online- und Offline-Kanäle erfolgreich kombinieren, sichern sich entscheidende Wettbewerbsvorteile.
Der Status Quo: Stationärer Handel dominiert weiterhin
Eine aktuelle Analyse von Colliers (über Retail Dive) zeigt, dass rund 76 % der Einzelhandelsumsätze in den USA nach wie vor in stationären Geschäften generiert werden – trotz aller Fortschritte im digitalen Sektor. Besonders Omnichannel-orientierte Handelskonzepte zeigen hier ihre Stärke: Sie verbinden physische Verkaufsflächen mit digitalen Services und sorgen so für stabile Umsätze. Abgesehen vom pandemiebedingten Einbruch 2020 blieb der physische Handel über Jahre hinweg stabil. Die große „E-Commerce-Revolution“, die häufig als existenzielle Bedrohung für Innenstädte und Einzelhändler beschrieben wurde, hat sich in vielen Bereichen als überschätzt herausgestellt – insbesondere dort, wo Omnichannel-Handel intelligent umgesetzt wird.
Omnichannel als Schlüssel zum Erfolg
Was bedeutet das für Händler? Der Begriff Omnichannel bezeichnet eine Strategie, bei der alle verfügbaren Verkaufskanäle – ob online oder offline – nahtlos miteinander verbunden werden. Der Kunde entscheidet selbst, wo, wann und wie er mit der Marke interagiert.
Ein praktisches Beispiel: Kunden bestellen online und holen ihre Ware bequem im nächstgelegenen Laden ab – eine sogenannte Click & Collect-Strategie. Laut den aktuellen Daten wurden 2024 rund ein Drittel aller Onlineverkäufe über physische Filialen abgewickelt – sei es durch Abholung oder Versand aus dem stationären Bestand. Diese Entwicklung zeigt: Online- und Offline-Handel schließen sich nicht aus, sondern ergänzen sich strategisch.
Retouren – eine unterschätzte Herausforderung
Ein weiterer Faktor, der den stationären Handel stärkt, ist das Thema Retourenmanagement. Im Jahr 2023 belief sich der Wert der Rücksendungen auf fast 890 Milliarden US-Dollar – ein enormer operativer und finanzieller Aufwand für Onlinehändler.
Hier können stationäre Läden punkten: Kunden geben unpassende Produkte einfach im Geschäft zurück – ein Prozess, der sowohl die Logistikkosten senkt als auch neue Impulskäufe vor Ort fördern kann. Händler wie Target oder Walmartsetzen verstärkt auf diese „hybride“ Abwicklung, die Kundenzufriedenheit steigert und gleichzeitig Effizienzgewinne bringt.
Technologische Innovationen stärken den lokalen Handel
Auch technologisch holen stationäre Händler auf: digitale Kassensysteme, KI-gestützte Sortimentsplanung oder mobile Apps zur Kundenbindung sind längst keine Seltenheit mehr. Der moderne Store ist nicht nur Verkaufsfläche, sondern auch ein datengetriebenes Servicezentrum.
Zudem steigt die Bedeutung des „Erlebnis-Shoppings“ – also der gezielten Gestaltung eines besonderen Einkaufserlebnisses vor Ort. Gerade jüngere Zielgruppen, wie Gen Z oder Millennials, suchen bewusst nach Marken mit physischen Touchpoints und emotionalem Mehrwert.
Fazit: E-Commerce-Strategen müssen neu denken
Für E-Commerce-Expert:innen bedeutet das: Die Zeit des „Entweder Online oder Offline“ ist vorbei. Der Wettbewerbsvorteil liegt in der klugen Verzahnung beider Welten. Wer als digitale Marke langfristig erfolgreich sein will, sollte die stationäre Präsenz nicht als Rückschritt, sondern als strategische Erweiterung begreifen.
Die Zukunft des Handels liegt im Omnichannel-Commerce – einem integrierten Ansatz, bei dem Technologie, Logistik und Kundenerlebnis Hand in Hand gehen. Unternehmen, die jetzt auf hybride Modelle setzen, sichern sich einen nachhaltigen Platz in einem sich wandelnden Marktumfeld.