Das Thema E-commerce in China fasziniert allein aufgrund der Größe des Marktes viele produzierende Unternehmen, Markenartikler und Händler, die mit oder in China nennenswerte geschäftliche Chancen für E-commerce-Aktivitäten sehen. Allerdings zeigen bereits jetzt zahlreiche Beispiele, dass E-commerce in China keineswegs ein Selbstläufer ist, erst Recht nicht für ausländische Unternehmen, die eine Expansion nach China planen. Als Beitrag zur Einschätzung von Chancen und Grenzen zeigt dieser Artikel wichtige Fakten für die E-commerce-Entwicklung in China sowie Perspektiven für die weitere Entwicklung.
Wenn Sie Fragen oder Anregungen zum Thema E-commerce in China haben oder eine studentische Projektarbeit oder eine Abschlussarbeit vergeben möchten, freuen wir uns über eine Nachricht an info@ecommerceinstitut.de.
E-commerce in China – 1 Mrd. Online Shopper?
Grundlage für jede Entwicklung im E-commerce ist die Affinität und Bereitschaft der Konsumenten, online Waren und Dienstleistungen einzukaufen. Die bereits vergleichsweise hohe Internetdurchdringung in China, die ca. 50% der Einwohner, also rund 600 Mio., erreicht, steht für ein grundsätzlich hohes Potenzial für den Online Handel, auch wenn sich die Versorgung der Einwohner mit Internetanschlüssen auf die großen Zentren konzentriert und der ländliche Raum mit nur 25% Internetdurchdringung deutlich hinterher läuft.
Vor allem die hohe Affinität der Konsumenten zum E-commerce ist in China eine Chance, die viele Unternehmen sehen und nutzen wollen. Träger einer besonderen Dynamik ist die Expansion des mobilen Internet, also der Nutzung von Apps, Onlinediensten und Onlineshops auf den ca. 700 Mio. Smartphones, die es mittlerweile in China gibt (Stand 2014). Immerhin 25% der Internetnutzer shoppen online bereits über ihr Mobilgerät. Der typische Onlineshopper ist jung, „always on“, vergleicht, teilt und kommuniziert mit seinem Smartphone. Ein echter „Smart Shopper“, der aber gleichzeitig wenig Loyalität gegenüber einzelnen E-commerce-Plattformen hat. Ein Hyperwettbewerb mit geringen Margen aber großen Reichweiten ist die Folge. Strategisch ist die rasche Erschließung neuer Konsumentengruppen durch Smartphone-basierten E-commerce wesentlich, die nur über die in China vergleichsweise weniger häufigen Festnetzanschlüsse so schnell nicht erreichbar gewesen wären.
Die E-commerce Dynamik in China ist Teil eines fundamentalen Aufholprozesses, den das Land durchläuft. China will und kann nicht mehr nur „Werkbank“ der Welt sein, immer wichtiger wird der Binnenkonsum für die Entwicklung des Landes. Und dieser lässt sich noch stärker fördern, wenn er digital, innovativ und schnell abgewickelt wird.
E-commerce in China – der Markt und die wichtigsten Player
Nach einer Studie von Forrester Research wächst der E-commerce in China mit Wachstumsraten von annähernd 20% auf bis über eine Billion US$ in 2019. Bereits 2013 wurde E-commerce in China mit 307 Mrd. US$ größter Online Einzelhandelsmarkt der Welt, gefolgt von 440 Mrd. US$ in 2014. Der Anteil des E-commerce am gesamten Einzelhandelsumsatzes war in 2013 mit 7 – 8% sogar größer als in den USA, wo der E-commerce Anteil nur bei 6% lag.
Allerdings war die E-commerce Entwicklung in China bislang eher konsumenten- als unternehmensgetrieben. Zwar haben sich entsprechend der Größe des Landes auch in China große, marktbeherrschende Unternehmen etabliert, die die wesentlichen Funktionsbereiche des Internet abdecken. Die Internet-Durchdringung von kleinen und mittleren Unternehmen liegt nach einer Studie von McKinsey aber bei nur ca. 25% in 2013.
Dennoch hat das chinesische Internet eine funktionierende Infrastruktur, die Dank einer protektionistischen Politik der chinesischen Regierung von chinesischen und nicht von amerikanischen Unternehmen bereitgestellt wird. Die führende Suchmaschine stammt von Baidu, die ähnlich wie Google über ein eigenes Ökosystem verfügt. Weitere Player im Suchmarkt sind Sogou und Qihoo Haosou.
Die größten sozialen Netzwerke Chinas werden von Tencent bereitgestellt, das zugleich eines der größten und profitabelsten Internetunternehmen Chinas ist. Neben sozialen Netzwerken bietet Tencent weiter Instant Messaging-Dienste, Online Shops oder auch Online-Games an. Besonders bemerkenswert ist der Dienst WeChat, der in seiner ursprünglichen Form mit WhatsApp vergleichbar ist. Allerdings hat sich WeChat zu einer Multifunktions-App entwickelt, die mit Bezahl und E-commerce-Funktionen einen wichtigen Beitrag zur weiteren Entwicklung des Mobile Commerce in China leistet. Damit setzt Tencent dem größten E-commerce Unternehmen Chinas, Alibaba zu: WeChat wird als verantwortlich für den Niedergang von Sina Weibo gesehen -ein Dienst, der mit Twitter verglichen werden kann und der zu 18% zu Alibaba gehört.
Alibaba ist sicher das bekannteste chinesische Internetunternehmen. Bei der Bereitstellung von E-commerce Plattformen ist der E-commerce-Riese der führende Player in China und nach Amazon zweitgrößtes E-commerce-Unternehmen der Welt. Alibaba, das auch durch den bisher größten Börsengang der Geschichte bekannt wurde, steht auch für die typische Anbieterstruktur im chinesischen E-commerce, bei der große Handelsplattformen dominieren. Alibaba stellt mit der gleichnamigen Plattform eine B2B-Marktplatz, mit Taoboa einen C2C und mit Tmall einen B2C Marktplatz bereit. Der größte Konkurrent von Alibaba ist Jingdong (JD), das im B2C-Segment vor allem Elektronik verkauft.
E-commerce in China – die Herausforderungen
Die wirtschaftliche Entwicklung Chinas der letzten Dekaden lässt sich kaum mit der in Europa oder in den USA vergleichen. Das Land hat seit dem einen beispiellosen Prozess der Industrialisierung und Modernisierung durchlaufen, der bis heute andauert. Bislang konzentrierte sich dieser Prozess auf die Industrieproduktion, doch zunehmend rückt der private Konsum in den Fokus des Wachstumsprozesses. Für die entstehende Dynamik dürfte aber die Rolle des E-commerce entscheidend sein: Mit Hilfe eines überproportional expandierenden E-commerce Sektors könnte der private Konsum schneller und dynamischer wachsen als bei eher traditionellen Handelsstrukturen, die einen großen Anteil stationären Handel aufweisen.
Die logistische Erschließung eines so großen und heterogenen Landes wie China ist für die Entwicklung des E-commere eine zentrale Herausforderung. Konzentriert sich das bisherige Wachstum vor allem auf die großen Städte dürfte das gesamte Potenzial nur erschlossen werden können, wenn auch kleinere Städte und Regionen von logistischen Dienstleistungen und Paketlieferung erreicht werden.
Die logistische Qualität war nach Auffassung von AT Kearney im Jahr 2014 noch nicht zufriedenstellend. Nur wenige leistungsfähige Carrier stehen zur Verfügung, so dass die Lieferkette häufig nur eingeschränkt funktioniert. Pakete werden verspätet zugestellt oder beschädigt oder gehen gar ganz verloren. Auch bei der als Zahlungsmethode beliebten Nachnahme hängt die erfolgreiche Abwicklung einer Bestellung von der Qualität der logistischen Dienstleistung ab.
Aufgrund der schwierigen Marktlage im Logistikmarkt haben E-commerce-Plattformen wie etwa Jingdong eigene Logistikeinheiten aufgebaut und so auch hochdifferenzierte Logistikleistungen wie etwa Same- oder Next-Day-Delivery angeboten. Voraussetzung für eigene Logistikleistungen sind aber vor allem ausreichend hohe Volumina, die den Aufbau eines Logistiknetzes finanzierbar machen. Also nur die großen Plattformen können sich diesen Schritt leisten. Aufgrund der Größe des Landes und der nur in den dicht besiedelten Küstenregionen nach westlichen Standards ausgebauten Infrastruktur liegen die Logistikkosten vglweise hoch (Quelle: DHL) und drohen die ohnehin schon recht geringen Margen aufzubrauchen. Als Alternative zur selbsterstellten Logistik können große Carrier oder Netzwerke eingesetzt werden, die aber häufig nur geringe Komplexität in der Supply Chain leisten können. Diese kann bei kleineren High-end-Logistikdienstleistern bezogen werden, zu denen auch ausländische Player wie Fedex, TNT oder DHL gehören. Allerdings sind diese häufig regional beschränkt und können somit nicht für große Volumina herangezogen werden. Eine letzte Alternative bietet die Investition in bestehende Logistikfirmen an, wie Alibaba es praktiziert, um somit eigene Netzwerke aufzubauen.
Diese geringen Margen bei gleichzeitig wenig ausgeprägter Kundenloyalität ist die zweite Herausforderung, die weniger die großen Plattformen betrifft, als kleine und mittlere Unternehmen. Daraus folgt zum einem ein erheblicher Kostendruck durch überproportionale Marketingausgaben auf der einen Seite sowie erheblicher Preisdruck auf der anderen Seite. In der Konsequenz entsteht ein Nährboden für eine erhebliche Unternehmenskonzentration, die allerdings für den E-commerce typisch ist. Nicht betroffen von dieser Entwicklung sind übrigens westliche Qualitäts- und Luxusmarken, deren Alleinstellung im oberen Segement immer mehr unter Druck gerät. So sind chinesische Konsumenten mit höherem Einkommen häufiger an inländischen oder auch regionalen Anbietern und Marken interessiert. Diese Tendenz zu Onlinemarken kann helfen, das Problem geringer Margen zu reduzieren.
E-commerce in China – die Chancen
Ein Eintritt in den chinesischen E-commerce-Markt sollte von Seiten der Online-Händler intensiv geprüft und geplant werden. Nicht nur die sprachlichen und kulturellen Barrieren sind groß, sondern auch die regulatorischen Besonderheiten im chinesischen Markt. Jedoch zeigt der Eintritt gerade von Markenunternehmen, dass die Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern eine gute Grundlage für erfolgreiches E-commerce-Geschäft in China sein kann. Wenn der Markteintritt gelungen ist, können Unternehmen in jedem Fall an der weit überdurchschnittlichen Dynamik im chinesischen E-commerce teilhaben, die gemessen am Potenzial für Innovationen keinesfalls hinter den amerikanischen oder europäischen Entwicklungen stehen dürfte.
Quellen:
McKinsey Global Institute: Chinas e-tail revolution: Online shopping as a catalyst for growth, 2013
ATKearney: China’s E-commerce market in 2014: The Logistics Challenges