Antonia Terriuolo verfasste mit Margherita Girotto und Anastasiia Chaikovska an der Ca’Foscari University of Venice einen hervorragenden Bericht darüber, wie Smart Cities, Startups und Co-Working zur Geschlechtergleichstellung beitragen. Die deutsche Übersetzung wurde durch Antonia Terriuolo verfasst. Um den ersten Teil zu lesen, klicken Sie hier.
Lesen Sie weiter unten den zweiten Teil des Berichts.
[…]5. Fallstudie: Smart Cities und Safe & The City Ltd.
Das folgende Kapitel präsentiert die Fallstudie von Safe & The City Ltd., in welcher die Kernfunktionen und ihre Ziele präsentiert werden. Fokussiert wird sich insbesondere auf die Anwendung und den Betrieb der Innovation. Durch die Erörterung der strategischen und kampagnenbezogenen Organisation, vermittelt das Kapitel den Leser:innen ebenso ein kurzes Verständnis der Leistungseffekte der Innovation.
5.1. Die Suche nach sicherer Navigation
Safe & The City ist eine Navigations-App der persönlichen Sicherheit, welche als Karte konstruiert wurde und Orte hervorhebt, die nicht sicher sind oder eine höhere Kriminalitätsrate aufweisen als andere (Flockett, n.d). Die App ist nicht darauf ausgelegt die schnellste, sondern die sicherste Route zu zeigen. Außerdem wurde sie vom StartUs InsightsRecherche Blog als eins der fünf besten Startups zur Entwicklung von Lösungen für Geschlechtergleichstellung ausgezeichnet, wobei mehrere Forbes-Zitate und andere Anerkennungen nicht vergessen werden dürfen (StartUs Insights, o.D.). Die mobile App des Startups bietet Echtzeitbenachrichtigungen von offiziellen Quellen und schlägt die sichersten Routen für Fußgänger und öffentliche Verkehrsmittel auf der Grundlage öffentlicher Bewertungen vor (Safe & the City, o.D. b). Sie erlaubt Frauen ihre Angehörigen zu benachrichtigen, sollte sich ein unerwarteter Vorfall ereignen. Zusätzlich ermöglicht es Behörden, auf der Grundlage von Meldungen aus der Bevölkerung Risiken zu entdecken und abzuschwächen (StartUs Insights, o.D.). Alles begann mit Jillian Kowalchuk, der Gründerin, welche Kartenapps nutzte, um eines Abends ihr Ziel zu erreichen und die App brachte sie in eine dunkle Gasse, in welcher sie eine negative Begegnung hatte. Nach diesem Erlebnis begann sie sich mit der Entwicklung einer App zu beschäftigen, welche Google Maps und Polizeiinformationen verwendet, um die Nutzer:innen mit den Informationen zu versorgen, die sie brauchen. Über diese Erfahrung sagte sie: „Es geht nicht darum Angst zu haben, sondern etwas zu haben, was einem ermöglicht bessere Entscheidungen zu treffen und auch einen Hinweis auf die Verantwortlichkeit außerhalb von Unternehmen zu hinterlassen, damit sie wissen, dass die Angestellten ein Verhalten zeigen, was inakzeptabel ist“ (Flockett, o.D., o.S.).
Der Fokus liegt auf öffentlichen Verkehrsmitteln, Fußwegen und Orte, an denen die persönliche Sicherheit am meisten gefährdet ist und am wenigsten Technologie für dieseexistiert. Bei Taxirufapps gibt es klare Prozesse, um Fahrer:innen zu melden und Hinweise auf Bereiche zu geben, welche sich verändern müssen. Aber nur mit dieser App ist es Nutzer:innen erlaubt Problembereiche zu melden, den nächstgelegenen Notdienst zu finden und einen 2-Klick Prozess innerhalb der App zu haben, welcher es erlaubt Beamte zu kontaktieren; all dies integriert Sicherheit in ein Navigationssystem. Das Hauptziel hierbei ist es, Menschen durch eine komplett kostenlose App in Sicherheit zu bringen (Montebello, 2020).
Die App kam im März 2017 zunächst im britischen App-Store auf den Markt und nutzt Informationen der Stadtpolizei mit Fokus auf Bereiche, welche in der Vergangenheit eine hohe Anzahl von sexuellen Übergriffen oder Belästigungen verzeichneten oder jenen, denen Anti-Social Behavior Order (ASBO) (zu Deutsch: Anordnung über antisoziales Verhalten) zugewiesen worden sind. Zusätzlich sagt die Gründerin: „Wir fokussieren uns jetzt mehr auf die Community und auf die Einbindung unserer verschiedenen Interessengruppen und Unternehmen […] [und] möchten, dass Menschen sehen, dass die Informationen in etwas Greifbares verwandelt werden, um mehr Menschen zu schützen“ (Flockett, o.D., o.S.). Was macht Safe and the City anders? Die Antwort ist, dass die Nutzer:innen die Route nachdem sie sie genutzt haben, bewerten können: „Dies bedeutet, dass wir in der Lage sind, Informationen im Laufe der Zeit zurückzumelden und Menschen zu schützen. Wir nehmen dann die Informationen der Polizei, um zu zeigen, wo es möglicherweise Bereiche mit erhöhtem Kriminalitätsrisiko gibt [und] ich schätze wir sind ein bisschen etwas wie ein Hybrid; wir versuchen Prävention zu betreiben, aber wenn man Notdienste anrufen muss, hat man dies zur Hand“ (Flockett, o.D., o.S.).
5.2. Benutzung und Anwendung der Innovation
Wie bereits im ersten Paragrafen erwähnt, müssen wir bei dem Begriff „Smart City“ bedenken, dass es keine allgemeingültige Definition gibt, was eine Stadt „smart“ macht. Vermutlich ist dies darauf zurückzuführen, dass sich die Bedeutung von „smart“ immer noch von einem auf den Menschen bezogenen Wort zu einer allgemeineren Form von Technologie und künstlicher Intelligenz wandelt. Verbindet man es nun mit der Nutzung und Anwendung der Innovation, können wir sehen, dass sie mit dem Smart Cities Innovationskonzept verbunden ist, da die App, welche wir beschreiben, Perceptual Intelligence (zu Deutsch: Wahrnehmungsintelligenz) nutzt, um die Sicherheit von Frauen im öffentlichen und digitalen Raum zu verbessern (StartUs Insights, o.D.). Heutzutage verändern sich Dinge, wie Handys und elektronische Geräte von Dingen, die statisch und leblos sind, zu Objekten mit reaktiveren und adaptiven Systemen, die bekanntermaßen nützlicher und effizienter sind. Um diese Veränderung durchzuführen, brauchen sie, was Pentland (2000) Perceptual Intelligencenennt, was bedeutet, dass sie „die Aufmerksamkeit auf Menschen und die sie umgebende Situation in der gleichen Weise richten, wie es ein anderer Mensch tun würde, sodass diese neuen Geräte lernen, ihr Verhalten an uns anzupassen, anstatt sich an sie anzupassen, wie wir es heute tun“ (S. 35). Aus dieser Perspektive verstehen wir, dass der Schlüssel des Prozesses die Verbindung von Geräten ist, so dass sie nicht mehr isoliert sind, sondern intelligent zusammenarbeiten, um neue und unerwartete Resultate zu erzielen (Pentland, 2000).
5.3. Der Innovationseffekt und ihre Performance
Die Algorithmus–basierte Plattform hält die Menschen bezüglich Problemen aus dem echten Leben auf dem Laufenden während sie in Echtzeit passieren, woraufhin eine Datenerhebung folgt, welche zu einer besseren Verwaltung verschiedener Aspekte der Stadt führt. Zwei Produkte sind Teil des i3 Intelligence Application Programming Interface (API), welche dies möglich machen: i3 Risk und i3 React. Das i3 Risk ist der Tagesprognose-Service, welcher offizielle Daten und Trendanalysen nutzt. Die Firma untersucht über 250.000 Datenpunkte jeden Tag, um Risikoeinschätzung für den öffentlichen Bereich zu erstellen und diese danndirekt in andere mobile Anwendungen oder Produkte einfließen zu lassen. Dieser Einschätzungsservice ist seit Beginn ein zentraler Bestandteil des Produkts und schafft damit die Grundlage für präventive Sicherheit; er gibt den Teams die notwendigen Daten um intelligente Benachrichtigungen zu verschicken, das Risiko eines Ortes zu evaluieren und alternative Ziele oder Handlungen vorzuschlagen, um das Risiko von Gefahren zu minimieren. Außerdem ist das i3 React der Notfallalarmierungsdienst: das Machine Learning Modell durchsucht kontinuierlich verschiedene Datenquellen in unterschiedlichen digitalen Kanälen, wie soziale Medien, Nachrichtenkanäle und viele mehr. Es befasst sich mit potenziellem Terror, Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der Lokalisierung von Protesten, um herauszufinden wann sich ein schwerer Zwischenfall ereignet. Beispielsweise hat i3 React während des Terroranschlags auf die London Bridge im Jahre 2019 diesen Zwischenfall identifiziert und markiert als er geschah. Der sich ereignende Vorfall wurde verifiziert und löste eine mobile Benachrichtigung bei allen Safe & The City Nutzer:innen in einem Umkreis von 5 Kilometern aus in welcher, innerhalb von 10 Minuten, offizielle polizeiliche Beratung bereitgestellt wurde. Beide Produkte wurden auf der Safe & the City i3 Intelligence Platform im März 2021 freigegeben und sind das Resultat von Tests während der letzten paar Jahre und von einer Verfeinerung des Algorithmus, was Partnerschaften und Expertise stärkt (Safe & the City, 2021 a).
5.4. Die Safe & The City’s Strategie
Im Bezug auf Verbesserungen ist das klar gesteckte Ziele der Firma auf der Website zu finden: die schnellere Bereitstellung genauerer Informationen über Sicherheitsnotfälle und Risiken für Kund:innen. Um eine schnellere Entdeckung von Zwischenfällen zu garantieren, nutzen sie Twitter, anstelle von Nachrichtenagenturen, da dies bis zu 30 Minuten dauern kann. Das liegt daran, dass Twitters API die Aufnahme eines gefilterten Stroms von Tweets in Echtzeit unter Verwendung integrierter Regeln und Operationen ermöglicht. In den letzten paar Monaten wurde die Schnelligkeit und Genauigkeit des Meldesystems durch MachineLearning dramatisch verbessert. Hierdurch ist es ihnen möglich ein Natural Language Processing (NLP) (zu Deutsch: Natürliche Sprachverarbeitung) Modell durch die Verwendung von PyTorch und Hugging Face Transformers zu nutzen, um neue Vorfälle im Bereich der öffentlichen Sicherheit zu erkennen und zu markieren, während sie sich ereignen. In den vorbereitenden Trainings und Prüfungen war es möglich Proteste und Aufstände in Echtzeit mit sehr hoher Genauigkeit zu erkennen. Jeder neu erkannte Vorfall wird dann an Jemandem im Safe & the City Team gemeldet, um diesen Vorfall auf Genauigkeit zu überprüfen und verschiedene Metriken zur Messung der Zuverlässigkeit der Informationen zu nutzen. Nach der Annahme werden die positiven Ergebnisse an die i3 React Kund:innen über die registrierten Webhook Endpunkte weitergeleitet; nach der Veröffentlichung können Kund:innen erwarten eine i3 React Benachrichtigung innerhalb der nächsten paar Minuten zu erhalten, wobei dieses i3 React Upgrade als Standard mit dem Produkt kommt (Safe & theCity, 2021 b).
Dies ist lediglich ein Beispiel wie Safe & the City Machine Learning auf dem neuesten Stand der Technik nutzt, um die öffentliche und persönliche Sicherheit zu erhöhen und, in Anbetracht der Ambitionen für die Zukunft, werden in den nächsten Jahren noch weitere hinzukommen.
5.5. Kampagnen und Aktivismus
Safe & the City ist eine konsolidierte Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ist seit 5 Jahren im Geschäft und ist im Bereich „Sonstige verlegerische Tätigkeiten“ tätig (Companies House, o.D.). Ein großer Schritt für die Firma war eine Crowdfunding Kampagne, welche es ermöglichte mehr Influencer:innen miteinzubeziehen und dadurch das Team und die Community zu vergrößern (Flockett, o.D.). Am 28. September 2017 wurde die Plattform veröffentlicht und fokussiert sich auf das wichtige Thema der sexuellen Belästigung auf der Straße. Im Mittelpunkt steht die Tatsache, dass Millionen dieser Erfahrungen bagatellisiert, nicht berichtet und nicht gemeldet werden, da Frauen gesagt wird, dass es sich „nur“ um eine Bemerkung oder einen Scherz gehandelt habe oder, dass es nur an der Kleidung der Frauen läge, ob sie sich sicher fühlen, nachts allein spazieren zu gehen (Harris, 2020).
Die Firma hat heutzutage mehrere Teams in London und Berlin, würden diese aber gerne in alle großen Städte ausweiten. Darüber hinaus möchten sie eine Veränderung mit ihren örtlichen Partnern herbeiführen. Sie sehen sich selbst als eine globale Datenfirma und wollen eine führende Rolle in diesem Bereich einnehmen, um die Gestaltung intelligenterer und sichererer Städte zu ermöglichen. Am wichtigsten ist allerdings, dass sie zeigen möchten, wie Menschen Vorfälle melden können und wollen somit einen sinnvollen Wandel in lokalen Gebieten herbeiführen (Montebello, 2020). Besonders dies zeigt wie Safe & the City aktiv zur Innovation einer Smart City beiträgt und warum es als weitere Ressource für Städte wie Berlin genutzt werden kann, um es in die Smart City Strategie zu integrieren. Zusätzlich zeigt sich die Verbindung zum Smart City Konzept ebenso in der öffentlich zugänglichen Nutzung von Daten. Wie zuvor erwähnt ist Beteiligung der Öffentlichkeit ein zentraler Punkt der Smart Cities und sollte durch Firmen wie, zum Beispiel, Safe & the City gefördert werden.
Teil 2 von 4. Wir hoffen, dass Ihnen die Lektüre gefallen hat und freuen uns auf den nächsten Teil!