Im Fall der Arbeitsplatz-sharing Plattform “independesk” konnte man Zeuge eines der wohl seltsamsten Telefonate werden, das je in “Die Höhle der Löwen” geführt wurde. Trotzdem ging es gut aus für den Gründer, denn er brachte schließlich das in seiner Situation wohl sinnvollste Argument.
Photo: RTL / Bernd-Michael Maurer
Alle anwesenden Löwen befanden praktisch schon unmittelbar nach dem Pitch, dass Gründer Carsten den Nerv der Zeit mit seine Geschäftsmodell trifft. Eine Plattform, auf der man stundenweise Arbeitsplätze buchen kann, die ebenso genau abgerechnet werden. So können Coworking Spaces, deren Geschäftsmodell dies ohnehin ist, ihre Kapazitäten weiter auslasten. Aber auch Unternehmen, Cafés, Restaurants oder Hotels mit vorübergehend freien Plätzen können sich so etwas hinzuverdienen, nutzen diese Möglichkeit aber wohl auch zunehmend, um dadurch ihre Bekanntheit zu erhöhen.
Der Gründer rechnet fest damit, dass die Zahl der flexiblen Arbeiter immer weiter zunehmen wird, auch wenn zur Zeit wohl noch die für diese Arbeitsform klassischen Freelancer überwiegend seine Nutzerschaft ausmachen. Doch die Löwen sehen es genauso, sie glauben, der gesellschaftlich und vor allem umwelttechnisch überaus wünschenswerte Wandel hin zu mehr Wohnungsnahen Arbeitsplätzen wird kommen.
Zwar kann der Einzelgründer bisher – auch wohl auf Grund des langen Locksdowns in Deutschland – nur verhältnismäßig kleine Zahlen vorweisen, doch nur Ralf Dümmel steigt aus, weil es einfach nicht sein Geschäftsmodell ist. Alle anderen Löwen formieren sich zu Angeboten: Carsten Maschmeyer bietet zusammen mit Dr. Georg Kofler zunächst die gewünschten 150.000 €, jedoch wollen die beiden 25,1% statt der angebotenen 15% haben. Besonders die Internationalisierungspläne des Gründers gefallen ihnen, und sie betonen, wie stark sie diese unterstützen können. Dagmar Wöhrl bietet dann die gleiche Summe für 18%, und schließlich bietet Nils Glagau dem Gründer genau den Deal an, der er haben wollte. Daraufhin erhöhen die beiden ersten Löwen ihr Angebot auf 251.000 € für 25,1%, so dass es genau der gleichen Bewertung von 1 Million Euro entspricht, die der Gründer sich zu Beginn vorgestellt hatte. Auch Dagmar Wöhrl zieht mit und bietet sogar noch eine etwas höhere Bewertung: 200.000 € für 18% sind es bei ihr jetzt.
Action ist also schon reichlich gegeben, bevor sich der Gründer zum Telefonieren zurück zieht. Er ruft seinen Freund und Berater an, wie er sagte.
Doch dieser konzentriert sich überraschenderweise nur auf die Angebote, die Löwen scheinen ihm – zumindest an Hand dessen, was der Zuschauer zu hören bekommt – überhaupt kein Begriff zu sein. Das Doppel-Angebot von Multi-Investor Carsten Maschmeyer und Medien-Profi Dr. Georg Kofler bezeichnet er als nicht wirklich interessant, weil es außerhalb dessen liegt, was sich der Gründer wohl vorgestellt hat. Nils Glagaus Angebot passt daher ziemlich genau, und in Dagmar Wöhrls rechnerisch sogar besserem Angebot sieht er eine Gewissensfrage. Was er damit meint, bleibt uns leider verborgen.
Nach einem kurzen Wechsel zu den Löwen hört man den Gründer nur noch fragen, ob er das denn verlangen kann. Die Antwort des Beraters vernimmt sich dann fast wie in einem Werbefilm für einen Motivations-Workshop. 3 Fragen habe er für ihn, sagt er. Ob er an sein Produkt glaubt, an seine Zahlen, und vor allem daran, dass er der Richtige ist, dass alles so umzusetzen. Der Gründer antwortet brav immer mit Ja, und wird daraufhin aufgefordert, dann nun hart zu verhandeln. Was er auch tut.
Die Löwen werden später sagen, dass er sie elegant über den Tisch gezogen habe, doch der Gründer bringt ein entscheidendes Argument.
Denn obwohl die Äußerungen seine Beraters das nicht vermuten ließen, hat er es vor allem auf das Doppel-Gespann abgesehen, im Gegensatz zu ihm kennt er die Löwen und hat sich Gedanken gemacht. Er argumentiert, dass er wohl noch mehrere Investitionsrunden brauchen wird, wenn er wirklich groß werden will, und daher in einer so frühen Phase noch nicht so viel abgeben will. Er “verschlechtert” nun sogar sein Angebot und will nun satte 200.000 € für 15%, allerdings verbunden mit einem Vorkaufsrecht für die nächste Runde – unüblicherweise sogar mehr als nur der Ausgleich der Verbesserung, nämlich bis hin zu den gewünschten 25,1%.
Die Löwen scheinen darauf einzugehen, allerdings mit einem Zusatz: Sie wollen dann einen Discount auf die nächste Runde in Höhe von 20% haben. Was sich anhört wie eine kleine Ergänzung, kann jedoch einen gewaltigen Unterschied machen. Denn sollte independesk tatsächlich – auch mit Hilfe der Löwen – ein starkes Wachstum schaffen und zum Beispiel bei der nächsten Runde eine Bewertung von 5 Millionen Euro erreichen können, kommen zunächst die Löwen zum Zug, zahlen aber nur eine Bewertung von 4 Millionen. Braucht das Startup dann ein Kapital von mindestens 1 Million Euro, um weiter zu wachsen, würde es normalerweise 20% hierfür abgeben müssen, nun aber rechnerisch 25%. Und zu solch einer reduzierten Bewertung können sie dann nicht nur ein paar Prozent gegen die Verwässerung erhalten, sondern noch einmal 10,1% mehr.
Wir können nicht sicher sein, ob dem Gründer das bewusst war. Generell sollten Startups aber mit Discounts sehr vorsichtig sein, und diese nicht allzu schnell einräumen, bevor sie nicht alles gründlich durchgerechnet und durchdacht haben. Je nach Konstellation fährt man nämlich mit einer etwas niedrigeren Bewertung aber ohne Discount in der nächsten Runde schon mittelfristig besser. Ganz bestimmt sollte man sich aber nicht von ein paar altmodischen Motivationssprüchen das eigene Ego so pushen lassen, dass es einen vom rechnen abhält.
Das ist in diesem Fall hoffentlich so nicht passiert, und es bleibt einfach bei einem seltsamen Gespräch bei einem ansonsten gelungenen Auftritt. Alles in allem hat der Gründer aber nun zwei neue Investoren an Board, die ihn mit mehr als nur Geld unterstützen werden, und independesk hoffentlich den erhofften Wachstumsschub verpassen.
Spannende Insights für die Beiträge lieferte uns Ruth Cremer!
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