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Digital Business – Agenda für die digitale Transformation

Digital Business hat sich als Sammelbegriff für digitalisierte Geschäftsmodelle und -prozesse etabliert. In diesem Beitrag soll erläutert werden, welche typischen Merkmale Unternehmen im Digital Business aufweisen. Damit werden Grundzüge einer Betriebswirtschaftslehre der Digitalisierung und digitalisierter Unternehmen skizziert.

Eine zentrale Fragestellung für die Darstellung von Digital Business ist, wie sich das strategische Management und Entscheidungsprozesse in digitalen Unternehmen verändern. Auch die Auswirkungen auf der operativen Ebene, entlang der Wertschöpfungskette prägen das Bild von digitalisierten Unternehmen. Betroffen sind damit auch Organisation, Steuerung und Führung von Unternehmen. Deren spezifische Aspekte können am ehesten mit dem Modell der Plattformökonomie und der ökonomischen Mechanismen digitaler Plattformen abgebildet werden.

Digital Business – eine Definition

Der Begriff Digital Business umfasst Unternehmen mit Geschäftsmodelle und -prozessen, die in wesentlichen Aspekten der Produktion, der Kundenbeziehung sowie der Organisation Informationstechnologien zur Realisierung und Erhöhung der Wertschöpfung einsetzen. Prototypische Unternehmen sind solche, die IT Produkte entwickeln und vertreiben oder deren Leistungserstellung im Wesentlichen mithilfe von IT realisiert wird. Diese Abgrenzung umfasst also ebenso Hardware-Hersteller wie Apple und IBM, Software-Hersteller wie Microsoft oder SAP als auch noch jüngere Internet Konzerne wie Google, Facebook oder Amazon.

Typische Geschäftsmodelle im Digital Business

Auch wenn in vielen Bereichen der Wirtschaft Digital Business und die Digitalisierung noch am Anfang zu sein scheinen, gibt es doch seit Jahrzehnten etablierte Geschäftmodelle. Diese sind auf einer globalen Ebene

Besonders prägend und dominierend erscheinen heute die führenden Unternehmen des Internetzeitalters, die sich in einer Zeitspanne von ca. 20 Jahren an die Spitze der Rankings der wertvollsten Unternehmen entwickelt haben. Da diese Unternehmen in einer vergleichsweise späten Phase der Digitalisierung gegründet wurden, weisen sie den höchsten Digitalisierungsgrad und ein besonderes Maß an Innovationsfähigkeit auf. Die Voraussetzung für diese wesentlichen Wettbewerbsvorteile liegen auf strategischer Ebene und in der Unternehmenskultur dieser Unternehmen.

Unternehmenskultur und Strategien im Digital Business

Die prägenden Aspekte im Digital Business werden auf der strategischen Ebene und in der Kultur der Unternehmens bestimmt. Dabei erreicht ein Unternehmen einen umso höheren Digitalisierungsgrad, je weitgehender die Eigenschaften und Erfolgsfaktoren digitaler Technologien in der Strategie und Kultur des Unternehmens umgesetzt sind.

Strategische Faktoren

Rosenberg und Schmidt haben in ihrem Buch „How Google works“ zentrale Faktoren der Digitalisierung herausgearbeitet. Diese sind die umfassende Verfügbarkeit von Informationen, der Anstieg der Rechnerleistung zur Verarbeitung von Informationen sowie der ubiquitäre Zugang zu dieser Rechnerleistung im Mobile Cloud Computing. Diese Faktoren münden in typischen Strategien und zeigen spezifische kulturelle Aspekte. Auf der strategischen Ebene verfolgen digitale Unternehmen vor allem die Umsetzung digitaler Innovationen, um an den Vorzügen der Digitalisierung möglichst weitgehend partizipieren zu können.

Der digitale Charakter von auf Software basierenden Innovationen hat nicht nur den Vorteil einer Verbesserung von qualitativen Aspekten der Leistungserstellung, sondern auch noch einen entscheidenden quantitativ-ökonomischen Vorteil. Dieser Vorteil schlägt sich in Skaleneffekten nieder, die wiederum durch typische Kostenstrukturen bei digitalen Technologien entstehen. Dieser extrem vorteilhafte ökonomische Effekt kann noch weiter ausgebaut werden, wenn digitalisierte Unternehmen nicht nur auf der Kostenseite sondern auch auf der Nutzerseite von der Vernetzung profitieren. Dann greifen Netzwerkeffekte, die das Wachstum der Plattformen beschleunigen.

Veränderung in der Unternehmenskultur

Mit dem durch die Digitalisierung erleichterten Zugang zur Information verbindet sich auch eine wichtige Änderung in der Unternehmenskultur vieler Unternehmen. Durch die Zunahme von Transparenz in vielen Bereichen des Unternehmens kommt es bei erfolgreich digitalisierten Unternehmen zu einer Verschiebung der Werteachse. Der Fokus der Unternehmen wandert von den Shareholdern hin zu den Kunden. Diese haben nicht nur einen fast umfassenden Ein- und Überblick zu allen Angeboten und Anbietern in einem Markt, sondern bewerten diese auch öffentlich. Eine Vernachlässigung von Kunden und Bevorzugung von vorrangig empfundenen Interessen anderer Stakeholder kann sich ein Unternehmen in digitalen Märkten mit hoher Transparenz nicht mehr leisten. Stattdessen orientieren sich immer mehr digitalisierte Unternehmen an Customer Centricity als kultureller Antwort auf hohe Transparenz in den Märkten.

Transparenz ist aber nicht einseitig. Vielmehr bedeutet die Bereitstellung digitaler Plattformen für Nutzer und Kunden das Potenzial, Nutzer- und Nutzungsdaten in einen Prozess permanenten organisatorischen Lernens münden zu lassen. Zentraler Begriff dabei ist Data Driven Marketing. Dabei werden Nutzungsdaten herangezogen, um Informationen und Kommunikation mit den Nutzern effizienter, zielgerichteter und kostengünstiger zu gestalten.

Es kann gezeigt werden, dass diese vier Schlüsselfaktoren der Digitalisierung

bei führenden Unternehmen der digitalen Wirtschaft maßgeblich für Erfolg und schnelles Wachstum sind. Diese Faktoren tragen wesentlich zur strategischen und kulturellen Ausrichtung dieser Unternehmen bei und sind auch bei der Neudefinition betrieblicher Funktionen im Rahmen der Etablierung von Digital Business entscheidend.

Die digitale Wertschöpfungskette

Die Veränderung von Strategien und Kulturen hat vor allem zur Folge, dass sich die Gewichte im Rahmen der betrieblichen Wertschöpfungskette verschieben. Geht man von den vier zentralen Wertschöpfungsfunktionsbereichen

aus, so lässt sich die Verschiebung des Unternehmensfokus von auf realwirtschaftlichen Grundlagen beruhenden Teilprozessen zu auf Informationen und Daten beruhenden Prozessen deutlich machen. Es kann davon ausgegangen werden, dass im Zuge der Digitalisierung die Wertschöpfungsbereiche Entwicklung und Absatz an Bedeutung gewinnen, während Beschaffung und Produktion an Bedeutung verlieren werden. Allerdings muss dabei explizit eine Ausnahme bei einem zentralen Beschaffungsthema unterstrichen werden: die Beschaffung hochqualifizierter Mitarbeiter zur Gestaltung von Entwicklungsaufgaben nimmt in ihrer Bedeutung nicht etwa ab sondern zu.

Stand der Digitalisierung der Wertschöpfungskette

Betrachtet man den Stand der Digitalisierung der Wertschöpfungsketten in vielen Bereichen der Wirtschaft ergibt sich ein gemischtes Bild. In einer ersten Phase der Digitalisierung der Wertschöpfungskette wurden administrative Steuerungsaufgaben der Unternehmen Mithilfe von IT vereinfacht und um neue Qualität erweitert.

Im Zuge der Internetrevolution kam es dann in einem nächsten Schritt zur Digitalisierung von Marketing und Absatz, die sich vor allen Dingen in der fortschreitenden Expansion des E-Commerce niederschlägt. Mit der zunehmenden Präsenz und Dominanz großer digitaler Unternehmen aber verbreiten sich auch deren kulturelle und strategische Erfolgsfaktoren. Viele Unternehmen haben im Zuge dessen erkannt, dass der Kern der Digitalisierung in der Entwicklung digitaler Innovationen liegt. Dafür werden neue Verfahren etabliert, die mit Begriffen wie Agilität und Lean Startup verbunden sind.

Diese führen als Erfolgsfaktoren der Softwareentwicklung auch in Nicht-Softwareunternehmen zu Veränderungen. Strategisch rückt die Entwicklung und der Ausbau Digitaler Plattformen in den Vordergrund. Diese können schnell, flexibel und lernend errichtet werden. Lernend bedeutet die Zugrundelegung einer hohen Fehlertoleranz, da Fehler Chancen auf Verbesserung bieten.

Mit einer digitalen Plattform erhält jedes Unternehmen Potenziale zur schnellen Verknüpfung und Vernetzung mit Kunden, Partnern und Lieferanten. Im Idealfall führen diese zu Netzwerkeffekten und als logischer Endpunkt der Plattformökonomie zu Monopolen. Das mag aus Unternehmenssicht vielversprechend klingen, bereitet allerdings aus Allgemeinwohlperspektive wohl eher Unbehagen.

Digitale Rekrutierung und Kooperation

Mit der zunehmenden Notwendigkeit, digitale Innovationen zu entwickeln, und in das Unternehmen sowie in das Leistungsangebot zu implementieren, verändern sich die Rekrutierung und Führungsaufgaben im Unternehmen. Menschliche Arbeit ist immer weniger ausführend und immer mehr gestaltend. Entsprechend müssen Mitarbeiter gefunden werden, die konzeptionelle und kreative Fähigkeiten in interdisziplinären Teams einbringen können.

Auch bei der Personalbeschaffung und der Mitarbeiterführung macht sich die digitale Änderung deutlich. Für die Mitarbeiter steigt die Transparenz in Bezug auf die Arbeitgeber, was die Machtverhältnisse im Arbeitsmarkt verschieben kann. Es lassen sich weiter zunehmend Freiheiten organisieren, wodurch gleichzeitig die Verantwortung einzelner Mitarbeiter steigt.

Als weiterer Aspekt im digitalen Entwicklungsprozess verändern sich darüber hinaus Partnerschaften im Digital Business. Die Herausforderung und Schwierigkeitsgrade der Innovation haben ein so hohes Niveau erreicht, dass gerade mittelständische Unternehmen ohne Kooperationen im Rahmen von Entwicklungs- und Wertschöpfungspartnerschaften nicht mehr auskommen. Die großen Fortschritte in der Informations- und Kommunikationstechnologie erleichtern es, vernetzte Entwicklungen durchzuführen und Entwicklung und Technologieplattformen zu betreiben. Allerdings nimmt damit auch die Komplexität rechtlicher, organisatorischer und kultureller Fragen in den Unternehmenspartnerschaften zu.

Digitalisierte Beschaffung und Produktion

In der Mitte des 2010er Jahre zeichnet  sich nun die Digitalisierung der Produktion und damit verbunden auch der Beschaffung ab. Dieser verschiedentlich als Industrie 4.0 bezeichneten Prozess wird nicht nur  die Automatisierung und datenbasierte Steuerung der  Produktion weiter ausbauen, sondern auch Produktions und Entwicklungszyklen maßgeblich beeinflussen. Es kann mit einer Beschleunigung des technischen Fortschritts in der Industrieproduktion gerechnet werden. Diese wird allerdings zwischenzeitlich auch mit einem Verlust von Beschäftigung einhergehen.

Das ist vor allem dann hinnehmbar, wenn der Ressourcenverbrauch und die Produkt- sowie Produktionsqualität durch Einsatz digitaler Netze Technologie in der Produktion weiter zunimmt. Auch Beschaffung, Lagerung und Logistik können eine  Effizienzschub erwarten, wenn zunehmend Rechnereinsatz und Datenverarbeitung Ineffizienz reduziert.

Für das Management im  Digital Business ergeben sich neue Herausforderung. Die entscheidenen strategischen und kulturellen Faktoren im Digital Business müssen aufgegriffen werden. Etablierte Unternehmen tun dieses in Konkurrenz zu jungen Unternehmen, die bereits auf die Entwicklung von Software-Innovationen ausgerichtet sind. Für die Unternehmen der sogenannten Old Economy geht es beim Digital Business darum, die Erfolgsfaktoren der Digitalisierung auf die Industrieproduktion und vor- sowie nach gelagerte Wertschöpfungsstufen zu übertragen. Damit verbunden sind die zentralen Aspekte wie Offenheit, Transparenz und Agilität. Auch die Ausbildung von Managern für das Digital Business muss dieser Entwicklung Rechnung tragen.

Prof. Dr. Dominik Große Holtforth