In der Shop-Optimierung steht regelmäßig die Conversion Rate als zentrale KPI im Fokus. Bei dieser Kennziffer wird zu Recht davon ausgegangen, dass ihr Einfluss auf den E-Commerce Erfolg besonders hoch ist. Häufig wird dabei jedoch übersehen, dass es eine weitere Größe gibt, die einen ähnlichen Einfluss auf den Ertrag im E-Commerce hat: Der Warenkorbwert.
Sicher hat das damit zu tun, dass der Warenkorbwert im Wesentlichen vom Sortiment abhängt, das im Onlineshop angeboten wird. Ein Anbieter von Drogerieartikeln wird kleinere Warenkörbe haben, während ein Online-Möbelshop Warenkörbe im drei- bis vierstelligen Bereich hat. Aber gerade, wenn der durchschnittliche Warenkorbwert gering ist, lohnt es sich, diese Kennziffer in den Fokus der Shop-Optimierung zu stellen. Dabei kann auch das Online-Marketing zur Optimierung des Warenkorbs beitragen.
Der Warenkorbwert in der Erfolgsrechnung Deines Onlineshops
Welchen Hebel der Warenkorbwert hat, zeigt eine kleine Erfolgsrechnung. Diese bildet den Bruttoertrag eines Onlineshops ab, der als Deckungsbeitrag der 2. Stufe nach Abzug von Anschaffungskosten und wie folgt abgebildet werden kann:
Bruttoertrag = Visits x [Conversion Rate x (Warenkorbwert – Anschaffungskosten) – CPC)]
Anhand von Beispiel-Monatswerten für einen kleineren Shop lässt sich berechnen:
Bruttoertrag = 150.000 x [3% (60 € – 30 €) – 0,75 €] = 150.000 x (0,90 € – 0,75 €) = 22.500 €.
Um nun den Einfluss des Warenkorbwerts (WK) auf den Bruttoertrag (BE) zu bestimmen, lässt sich dieser Wert nach dem Warenkorbwert ableiten. Dann ist
Das bedeutet in unserem Beispiel, dass eine Erhöhung des Warenkorbwerts um einen Euro bei gleichzeitiger Konstanz der Anschaffungskosten und des CPC zu einer Erhöhung des Bruttoertrags um 4.500 € führt. Dieser „Hebel“ ist ungleich höher als zusätzliche Visits, bei denen eine Erhöhung um einen Visit den Bruottoertrag um nur um 0,15 € erhöhen würde. Wie bei der Conversion Rate gilt also: bevor Du weitere Visits für den Shop organisierst, solltest Du das Potenzial höherer Warenkorbwerte ausschöpfen.
Der Warenkorbwert – eine Kennziffer mit einigen Tücken
Wie bei allen Kennziffern, die zu großen Ausschlägen in der Erfolgsrechnung Deines Shops führen, muss man auch beim Warenkorbwert genau hinsehen, was in dieser Größe enthalten ist. Üblicherweise haben Shopbetreiber einen durchschnittlichen Warenkorbwert vor Augen, wenn sie über die Optimierung ihres Shops sprechen. Entweder teilen sie schlicht den Umsatz einer Periode durch die Anzahl der Bestellungen oder sie lassen sich einen durchschnittlichen Warenkorbwert vom Shopsystem ausweisen. Dort wird der Warenkorbwert üblicher Weise genauso ermittelt wie bei Google Analytics. Während aber der Warenkorbwert im Onlineshop den tatsächlichen Einnahmen entsprechen muss, hängen die Angaben in Analytics davon ab, wie das E-Commerce Tracking in Analytics eingerichtet wurde. Entscheidend dabei ist die Höhe der zugrunde gelegten Steuern und Versandkosten.
Insgesamt muss beim Warenkorbwert also darauf geachtet werden, dass die richtige Größe betrachtet wird. Bei der Optimierung des Warenkorbwerts geht es um den Warenkorbwert als Erfolgswert. Zum Erfolg des Unternehmens zählt nicht die Umsatzsteuer und erst Recht nicht die Retouren. Da Retouren in der Regel erst nachträglich bekannt werden, muss man bei der Bestimmung und Optimierung des Warenkorbwerts eine durchschnittliche Retourenquote zugrunde legen. So haben Modeshops regelmäßig hohe Warenkörbe, da ein vergleichsweise hoher Anteil der bestellten Artikel zurückgeschickt wird. Rabatte sollten nur dann berücksichtigt werden, wenn diese dauerhaft eine Rolle spielen. Versandgebühren können dagegen sehr wohl zu den Nettoeinnahmen gezählt werden, sofern bei den Anschaffungskosten die internen Kosten für den Versand des Unternehmens berücksichtigt werden.
Nach allen Bereinigungen sind die Anzahl der bestellten Artikel sowie deren Preise die maßgebliche Einflussgrößen für den Warenkorbwert.
Zielwert für den Warenkorb
Bei der Optimierung des Warenkorbwerts sollte man vor allem berücksichtigen, wie viele Conversions man erzielen kann und wieviel Umsatz man benötigt, um einen bestimmten Bruttoertrag zu erzielen. Der Bruttoertrag ist der Betrag, der nach Abzug der Anschaffungskosten und der direkten Online-Marketing Kosten übrig bleibt, um die Gemeinkosten zu decken. Die Bestimmung eines Mindest-Warenkorbwerts kann also wie folgt durchgeführt werden:
Gemeinkosten = Visits x [Conversion Rate x (Warenkorbwert – Anschaffungskosten) – CPC)]
Aufgelöst nach dem Warenkorbwert ergibt sich folgender –etwas komplex wirkender- Ausdruck:
Berücksichtigt man noch, dass CPC/CR = CPO, also die Cost per Order sind, vereinfacht sich unsere Regel weiter:
Da V x CR –Visits mal Conversion Rate- die Conversions sind, besagt die Mindestbedingung für den anzustrebenden Warenkorbwert, dass dieser mindestens die
- die Gemeinkosten je Bestellung,
- die Anschaffungskosten für die Ware (incl. Versand) und die
- Cost-per-Order
finanzieren muss. In unserem Beispiel ist der Mindestwert für den Warenkorb bei Gemeinkosten von 20.000 € also
Optimierung im Shop
Die Optimierung des Warenkorbwerts sollte an der Quelle beginnen, nämlich im Shop. Tatsächlich ist ja vor allem die Preispolitik das primäre Instrument, um den Warenkorbwert zu erhöhen. Es geht vor allem darum, Preissetzungsspielräume auszunutzen. Dabei hilft eine Software, die die Preise dynamisch an die Marktsituation anpasst. Ob und wie der Warenkorbwert damit nachhaltig erhöht werden kann, hängt natürlich vor allem von Alleinstellungsmerkmalen und von der Wettbewerbssituation ab.
Als zweiter direkter Faktor neben dem Verkaufspreis ist die Artikelzahl wichtig. Eine höhere Zahl an Artikeln kann einen positiven, manchmal aber auch einen negativen Effekt haben. Zunächst einmal erhöht eine höhere Zahl an Artikeln den Umsatz und verteilt die Gemeinkosten der Bestellung auf eine größere Zahl an Umsatzträger. Wenn die Versandkosten pauschaliert oder sogar Null sind, dann kann eine höhere Artikelzahl ab einem bestimmten Umfang der Bestellung einen negativen Effekt haben. Das dürfte aber nur in Ausnahmefällen problematisch sein und würde auf grundsätzliche Kalkulationsmängel hinweisen.
Um die Zahl der Artikel, die von einem Kunden gekauft werden zu erhöhen, hast Du mehrere Möglichkeiten. Als Crossselling bezeichnet man solche Maßnahmen, bei denen komplementäre Produkte angeboten werden. Unter der Überschrift „Wird oft zusammen gekauft“ werden typischer Weise ergänzende, also komplementäre Produkte angeboten. Ähnlich funktioniert „Collaborative filtering“, bei denen unter der Überschrift „Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch das“ weitere komplementäre Produkte angeboten werden. Schließlich taucht gelegentlich der Begriff Upselling auf, damit ist das Angebot höherwertiger und –preisiger Alternativen gemeint.
Bei alldem darf man allerdings die Motivlage des Kunden nicht aus dem Auge verlieren. Ist er tatsächlich motiviert, mehr zu kaufen als ursprünglich geplant? Sind die angebotenen Produkte wirklich attraktiv oder doch nur sehr ähnlich? Wichtig ist, im Onlineshop auf die Vorteile des größeren Warenkorbs hinzuweisen. Entsprechende Call-to-Action Texte könnten Preisvorteile adressieren, die durch die Bestellung weiterer Artikel entsteht, ggf. auf die Ersparnis von Versandkosten Bezug nehmen oder die Zeitersparnis und Bequemlichkeit in den Vordergrund stellen, wenn mehrere Artikel bestellt werden.
Eine wichtige Voraussetzung für die Erhöhung des Warenkorbs durch Bestellung weiterer Artikel ist vor allem das Vertrauen in den Shopbetreiber. Daher sollte der Schwerpunkt bei den Empfehlungen bei Bestandskunden liegen. Der Onlineshop sollte also beim Crossselling und Collaborative Filtering zwischen Bestands- und neuen Kunden unterscheiden.
Eine wichtige Frage ist schließlich noch, wo Crossselling und Upselling einsetzen sollten. Grundsätzlich empfehlenswert ist es, diese Produktempfehlungen erst im Warenkorb oder im Checkout des Onlineshops zu platzieren, um den Kunden auf der Produkt- oder Landingpage nicht abzulenken. Bei der Platzierung solcher Empfehlungen sollte man sich natürlich auf eigene A/B-Tests verlassen oder aber nach Vorbildern suchen.
Optimierung im Online-Marketing
Auch wenn die Entscheidung des Kunden über den Umfang des Warenkorbs beim Besuch des Onlineshops getroffen wird, so wird diese Entscheidung aber im Online-Marketing vorbereitet. Dabei gilt es, die Erwartungshaltung des Kunden zu steuern und Online-Marketing Budgets so zu gestalten, dass der Umfang der angestrebten Warenkörbe berücksichtigt wird.
Steuerung der Warenkorbentscheidung im Online-Marketing
Es kann davon ausgegangen werden, dass Kunden regelmäßig klare Vorstellungen über den Umfang des Warenkorbs haben, wenn sie eine Produktrecherche beginnen. Wer eine teure Fotokamera kaufen möchte, wird sich auf dieses Produkt fokussieren. Wer ein neues Frühlingsoutfit oder eine Sportausstattung erwerben möchte, geht zu Beginn der Produktrecherche von mehreren Artikeln aus. Schließlich bestellen versierte Online-Mode-Shopper gleich mehrere Größen eines Bekleidungsstücks, um keine Probleme mit der Passgenauigkeit zu bekommen.
Dieses Warenkorbmuster sollten bei der Formulierung von Anzeigentexten und Meta Descriptions berücksichtigt werden. Dort, wo die Produktrecherche üblicherweise nur von einem Artikel ausgeht, können Hinweise auf komplementäre Produkte sinnvoll sein. „Große Auswahl und professionelles Zubehör“ könnte ein Versprechen sein, das zu einer positiven Klickentscheidung führt. In der Mode könnte es um Accessoires oder Sets gehen, die den Hinweis geben, dass der Shop weitere attraktive Angebote für komplementäre Produkte hat.
Den Warenkorbwert bei Adwords und bezahlter Werbung berücksichtigen
Neben der inhaltlichen Betonung von Warenkorbentscheidung hat diese natürlich auch Konsequenzen für den Online-Marketing Aufwand. Dort, wo Klickpreise hoch, Warenkörbe aber gering sind, ist die Effizienz bezahlter Onlinewerbung eingeschränkt. Daher muss bei der Bemessung des Budgets für bezahlte Werbung auch der Warenkorb berücksichtigt werden. Das zeigt die folgende kurze Rechnung:
Zunächst gilt für das Adwords Budget:
(1) Budget = Visits x CPC.
Weiter soll mit den Performance-Marketing Maßnahmen Umsatz erzielt werden. Für diesen gilt der folgende Zusammenhang:
(2) Umsatz = Conversions x Warenkorb = Visits x Conversion Rate (CR) x Warenkorb
Wird nun Gleichung (2) nach den Visits umgestellt, erhält man folgenden Ausdruck
(3) Visits = Umsatz/(Warenkorb x CR)
Wird Gleichung (3) in Gleichung (1) eingesetzt, ergibt sich die als Regel für die Budgetbestimmung
(4) Budget = [Umsatz/(Warenkorb x CR)] x CPC.
Ein Beispiel zeigt die Aussage dieser Gleichung:
- Umsatz: 10.000 €
- Warenkorb: 50 €
- CR: 0,02
- CPC: 0,50 €
Daraus ergibt sich ein erforderliches Adwords Budget von 5.000 € (was bei einem Umsatz von 10.000 € nicht sehr effizient aussieht). Um den Einfluss des Warenkorbs auf das Budget zu bestimmen, kann wieder die Ableitung nach dem Warenkorb gebildet werden. Diese ist
Das bedeutet, dass eine Erhöhung des Warenkorbs um eine Einheit zu einer überproportionalen Verringerung des Budgets führt. Wird in unserem Beispiel der Warenkorb von 50€ auf 51€ erhöht, ist das Budget nicht mehr 5.000€ sondern 4.902€.
An diesem Beispiel wird der positive Einfluss des Warenkorbwerts auf die Shoperträge deutlich. Im Umkehrschluss bedeutet das auch, dass bezahlte Werbung zunächst dort zum Einsatz kommen sollte, wo sie besonders effektiv ist. Während die Conversion Rate häufig für viele Produkte und Kategorien ähnlich ist, ist der Warenkorbwert stärker vom individuellen Artikel und möglichen Komplementen abhängig. Folglich macht es Sinn, bezahlte Werbung auch nach erzielbaren Warenkorbwerten zu strukturieren bzw. zu priorisieren.
Fazit: Auf die Zahlen kommt es an
Man sieht also sehr deutlich, dass der Wert der von Kunden umgesetzten Warenkörben ein großer Hebel ist, um Euren Shop erfolgreicher zu machen. Bei der Optimierung des Warenkorbs ist zunächst wichtig, wie hoch dieser sein muss, damit der Onlineshop profitabel wird. Wie gezeigt, lässt sich dieser Zielwert für den Warenkorbwert leicht bestimmen. Nicht ganz so leicht ist die Erhöhung des Warenkorbwertes, denn diese hängt stark von der Wettbewerbssituation ab. Maßnahmen zur Erhöhung finden im Shop selber statt und werden mit den Begriffen Crossselling und Upselling umschrieben. Aber auch im Online Marketing, also bei der Erzielung von Reichweite, gibt es Potenzial, einen höheren Warenkorbwert zu erzielen. Neben der Formulierung von Anzeigentexten und Meta Descriptions kann vor allem die Fokussierung der Adwords-Budgets auf Produkte mit hohen Warenkorbwerten als erfolgversprechend gesehen werden.